Ampelkoalition:Bei Freunden im Feindesland

Ampelkoalition: "Durchaus ähnliche Sicht auf die Dinge": Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP).

"Durchaus ähnliche Sicht auf die Dinge": Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP).

(Foto: Maja Hitij/Getty)

FDP-Chef Christian Lindner spricht auf dem Wirtschaftsforum der SPD und entdeckt viel Verbindendes. Und einen gemeinsamen Gegner haben Sozial- und Freidemokraten auch.

Von Claus Hulverscheidt, Berlin

Christian Lindner zu Besuch bei der SPD - das ist ein bisschen so, als würde Oliver Kahn dieser Tage auf dem Trainingsplatz von Borussia Dortmund auftauchen: Man spielt zwar in derselben Liga, sitzt gemeinsam in Gremien, ist sich ansonsten aber in herzlicher Rivalität verbunden. Oder doch nicht?

Dass das SPD-Wirtschaftsforum den Bundesfinanzminister einlud und dieser die Offerte auch umgehend annahm, zeigt zumindest, dass die Chemie in der Ampelkoalition nicht ganz so schlecht ist, wie gelegentlich behauptet wird. "Manchen überrascht es vielleicht, dass ich als liberaler Finanzminister hier beim Wirtschaftsforum der SPD spreche", sagt Lindner gleich zu Beginn seiner Rede, um dann darauf zu verweisen, dass Sozial- und Freidemokraten in einigen zentralen Fragen eine durchaus ähnliche Sicht auf die Dinge hätten - anders "als manch politischer Mitbewerber". Damit ist der Ton für die Debatte gesetzt.

Man hätte sich wohl verwundert die Augen gerieben, hätte sich die neue Freundschaft zwischen zumindest Teilen von SPD und FDP in den vergangenen Monaten nicht bereits angedeutet. Immer wieder hatte sich SPD-Kanzler Olaf Scholz bei koalitionsinternen Streitereien auf die Seite seines Finanzministers gestellt, immer häufiger konnte man den Eindruck gewinnen, dass hier keineswegs ein linkes rot-grünes Bündnis eine Zwangsehe mit einer CDU-nahen Partei eingehen musste, sondern eher eine in der politischen Mitte angesiedelte sozialliberale Allianz mit einem linken Anhängsel.

Zwar sind die Motive von Sozial- und Freidemokraten teils unterschiedlich: Die SPD stört sich am vermeintlich mangelnden Gespür der Grünen für die sozialen Folgen ihrer klimapolitischen Vorschläge, die FDP ist genervt von immer neuen Vorschriften. Im Ergebnis aber sind sich Scholz und Lindner oft einig: Die Grünen müssen gebremst werden.

Aus der SPD verlautet, Robert Habeck führe ein "Wirtschaftsabwicklungsministerium"

So gesehen ist Lindners Auftritt beim Koalitionspartner gar nicht verwunderlich, sondern fast folgerichtig. Ja, SPD-Chef Lars Klingbeil und die Forumspräsidentin Ines Zenke liefern dem FDP-Vorsitzenden so viele Vorlagen, dass dieser auf Sticheleien gegen die Grünen gänzlich verzichten kann. Zenke etwa klagt, das von Robert Habeck geführte Wirtschaftsministerium nehme die hohen Strompreise für die Industrie "mit einem Achselzucken" hin und geriere sich wie ein "Wirtschaftsabwicklungsministerium". Und Klingbeil legt einen Forderungskatalog vor, der auch Lindners hätte sein können: Reform des EU-Beihilferechts, Modernisierung der Infrastruktur, Kampf dem Fachkräftemangel, schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren.

Nur in einem Punkt gibt es einen fundamentalen Dissens, auf den der geladene Gast in seiner Rede aber aus purer Höflichkeit nicht eingeht. Die SPD nämlich verlangt die Einführung eines "Industriestrompreises", der greifen soll, sobald die derzeit noch wirkende Strompreisbremse Ende dieses Jahres ausläuft. Konkreter ausgedrückt: Bleiben die Preise auf einem Niveau, das für die Industrie nur schwer zu stemmen ist, sollen sie mit Hilfe von Steuergeldern auf einen Wert von etwa fünf bis sieben Cent je Kilowattstunde heruntersubventioniert werden. Der Staat, so Klingbeil, müsse jetzt handeln, damit man nicht in sechs, sieben oder zehn Jahren plötzlich feststelle, dass viele energieintensive Betriebe aus Deutschland ins Ausland abgewandert sind.

Lindner teilt die Sorge des SPD-Chefs, nicht aber dessen Schlussfolgerung, wie er im Anschluss an seine Rede auf Nachfrage Zenkes erklärt. Die Idee eines Industriestrompreises erfülle ihn mit "größter Skepsis", sagt er - schon allein deshalb, weil kaum klar abgrenzbar sei, welche Firmen im Einzelnen zur Industrie zählten. Auch würden Handwerksbetriebe benachteiligt, die in Konkurrenz zur Industrie stünden. Staat Stromkosten zu subventionieren, solle der Staat lieber für Rahmenbedingungen sorgen, die niedrigere Marktpreise für die gesamte Wirtschaft ermöglichten. Aber, so beruhigt der FDP-Chef, die Bundesregierung führe bereits "interessante Diskussionen" zum Thema. Man ist ja schließlich, so ein bisschen zumindest, unter Freunden.

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