Flucht und Migration:Frontex oder nicht Frontex

Flucht und Migration: Wie umgehen mit der Notlage der Migranten an der belarussischen Grenze zu Polen? Die Frage beschäftigt die Ampel-Parteien in ihren Koalitionsgesprächen.

Wie umgehen mit der Notlage der Migranten an der belarussischen Grenze zu Polen? Die Frage beschäftigt die Ampel-Parteien in ihren Koalitionsgesprächen.

(Foto: Leonid Shcheglov/AP)

Die Flüchtlingskrise in Belarus zwingt die Ampel-Parteien zu neuem Nachdenken über die Migration.

Von Constanze von Bullion

Langweilig war es gewiss nicht in der Ampel-Arbeitsgruppe "Flucht, Migration und Integration". SPD, Grüne und FDP müssen sich hier auf schwierigen Feldern verständigen. Es geht da nicht nur um Fachkräfte-Einwanderung und den Spurwechsel von Asylbewerbern in den Arbeitsmarkt. Auch schnellere Abschiebungen sind Thema oder die knifflige Reform des Staatsangehörigkeitsrechts.

Überrascht hat das Verhandlungsteam beim Thema Migration aber vor allem die Wirklichkeit, die sie überholt hat. Seitdem Tausende von Flüchtlingen über Belarus an die Ost-Grenze der EU kommen und bei Frost im Freien übernachten, seitdem Löcher in den Grenzzaun nach Polen geschnitten werden und polnische Soldaten Migranten festsetzen, ohne jeden Einblick für Medien oder EU-Behörden, ist Handeln geboten - nur wie? Die alte Bundesregierung ist nur noch geschäftsführend im Amt, die neue noch nicht gebildet.

Immer dringlicher wird bei den Koalitionsverhandlungen die Frage der Sicherung der EU-Außengrenzen und der Umgang mit den Migranten an der belarussisch-polnischen Grenze. Dass sie humanitäre Hilfe bekommen sollten, ist Konsens. Er reicht von den drei Ampel-Parteien bis zu Noch-Innenminister Horst Seehofer. Anders als bei Seehofer allerdings, der sich in Brüssel dafür eingesetzt hatte, auch bauliche Maßnahmen zur Sicherung der EU-Außengrenze zu finanzieren, gilt Abschottung bei den Ampel-Parteien nicht als Mittel der Wahl in der Migrationspolitik. Vor allem die Grünen pochen auf den Rechtsanspruch Geflüchteter, an jeder EU-Außengrenze einen Asylantrag stellen zu können. Nur - wie kann das garantiert werden in einer zugespitzten Lage wie derzeit am EU-Ostrand?

Bei den Koalitionsverhandlungen drang die SPD darauf, die Grenzschutzagentur Frontex ins belarussisch-polnische Grenzland zu schicken, um Ordnung zu schaffen und Migranten über Europa zu verteilen. Auch die Grünen wollen eine solche Verteilung, selbst wenn nicht alle Staaten mitmachen. Die Vorstellung allerdings, Frontex in den aufgeheizten Konflikt zu schicken, soll in der Partei erhebliche Widerstände geweckt haben.

Die Grünen sind sehr skeptisch, was die EU-Grenzschutzbehörde angeht

Denn während SPD und wohl auch FDP sich von einem Frontex-Einsatz mehr Transparenz im unübersichtlichen Grenzkonflikt versprechen und die Durchsetzung von Europa- und Völkerrecht, notfalls auch gegen Polen, befürchten einige Grüne wohl genau das Gegenteil. Nach illegalen Pushbacks in Griechenland, wo Frontex-Einheiten mit der griechischen Küstenwache Flüchtlingsboote abdrängten, sei höchste Vorsicht geboten. Die multinationale und in Teilen wenig rechtssichere Truppe könne die Lage an der polnischen Grenze noch weiter eskalieren lassen, so die Befürchtung.

Zuletzt aber scheinen die Grünen eingeschwenkt zu sein, zumindest etwas. Am Mittwoch erklärten die Parteivorsitzenden, man wolle die polnische Regierung überzeugen, "für die Situation an der Grenze europäische Unterstützung anzunehmen - auch in Bezug auf den gemeinsamen Grenzschutz". Gemeint ist wohl Frontex. Wenn auch nicht allein: Auch die europäische Polizeibehörde Europol und das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen (EASO) könnten beteiligt werden, schon der wechselseitigen Kontrolle wegen.

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