Arbeitsministerium:Wie die neue Regierung den Sozialstaat verbessern und digitaler machen will

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Überall im Land ein schneller Zugang zum Netz, um die digitalen Angebote zu nutzen: Glasfaserverlegung in Schulenburg in Niedersachsen. (Foto: Moritz Frankenberg/dpa)

Mindestlohn, Bürgergeld, Kindergrundsicherung - setzen SPD, Grüne und FDP ihre Pläne tatsächlich um, dürften Niedriglohnbezieher und Kinder aus ärmeren Familien spürbar profitieren. Es geht aber nicht nur ums Geld.

Von Markus Balser und Roland Preuß

SPD und Grüne sind angetreten mit dem Anspruch, in Deutschland mehr sozialen Ausgleich zu schaffen, mit staatlichen Hilfen, besseren Löhnen, mit höheren Lasten für Spitzenverdiener. Höhere Steuern hat die FDP bekanntlich zu verhindern gewusst. Bei den Löhnen und der staatlichen Hilfe will die Ampel-Koalition allerdings einiges ändern. Aus SPD-Sicht geht es darum, Olaf Scholz' Wahlkampfmotto einer "Gesellschaft des Respekts" in die Wirklichkeit zu übersetzen. SPD, Grüne und Liberale setzen vor allem bei drei Gruppen an: den Niedriglöhnern, den Arbeitslosen und Kindern aus ärmeren Familien. Setzt die Ampel ihre Pläne tatsächlich um, dürften diese spürbar vom neuen Kurs profitieren.

Als erstes Großprojekt aus dem Feld Arbeit und Soziales ist der Mindestlohn in Sicht. Er soll im kommenden Jahr von derzeit 9,60 Euro pro Stunde auf zwölf Euro ansteigen. Dieser Zuwachs um gut 20 Prozent dürfte etwa zehn Millionen Beschäftigten zugutekommen. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sagte am Mittwoch dem Sender ntv, bereits Anfang kommenden Jahres solle ein Gesetzentwurf vorliegen.

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Arbeitslose sollen vom Bürgergeld profitieren. Diese Sozialleistung soll Hartz IV so stark verändern, dass der Begriff auch umgangssprachlich durch das freundlicher klingende Bürgergeld abgelöst wird. Geplant sind zentrale Änderungen: Wer Bürgergeld bezieht, der soll sein Vermögen zwei Jahre lang nicht antasten müssen für den Lebensunterhalt. Auch die Kosten für die Wohnung sollen zwei Jahre lang vom Staat ohne weitere Prüfung bezahlt werden. Bisher konnte das Amt die Bezieher auf eigene Mittel verweisen und den Umzug aus einer großen Wohnung verlangen.

Auch bei der Vermittlung in Jobs soll sich einiges tun. Bisher hatte das Jobcenter die Bezieher mit Priorität auf eine neue Stelle zu vermitteln, künftig soll es selbständig entscheiden, ob eine Aus- oder Fortbildung besser ist. Damit verbindet sich die Hoffnung, dass Arbeitslose mit einem Zeugnis in der Tasche bessere Stellen finden.

Kompliziert könnte es noch beim Thema Sanktionen gegen Bürgergeld-Bezieher werden. Einerseits halten die Ampel-Partner an "Mitwirkungspflichten" fest, andererseits soll deutlich weniger sanktioniert werden. Bis Ende kommenden Jahres soll eine Neuregelung stehen, dann muss die Koalition eine Balance gefunden haben zwischen dem Fördern und dem Fordern im Jobcenter.

Kinder will die Ampel jedenfalls herausholen aus dem Bürgergeld und ihre Lage mit einer Kindergrundsicherung verbessern. Hier sollen alle Sozialleistungen wie Kindergeld oder Hartz IV für Kinder gebündelt werden. Alle Familien werden einen Garantiebetrag erhalten, für diejenigen mit niedrigerem Einkommen soll es Zusatzbeiträge geben.

Es geht allerdings nicht nur ums Geld, sondern auch darum, wie der Staat hilfsbedürftigen Bürgern gegenübertritt. Viele empfinden es als nervenzehrenden Aufwand, die langen Anträge auszufüllen, im Amt vorzusprechen, Belege nachzuliefern. Häufig werden Leistungen dann gar nicht beantragt. Der Staat soll künftig öfter als digital helfende Hand wirken: Die Anträge sollen am heimischen Computer gestellt, das Geld automatisch ausgezahlt werden können.

Die Behörden sollen endlich Abschied vom Fax nehmen

Voraussetzung dafür ist allerdings eine bessere IT-Ausstattung und bessere Verbindungen. Das betrifft ärmere Bürger, aber bei Weitem nicht alleine. Denn die deutsche IT-Infrastruktur gilt im Vergleich zu anderen Industrieländern als rückständig. Man wolle der Entwicklung nicht mehr hinterherlaufen, kündigte Kanzler Scholz schon vor der Amtsübernahme an. Die Digitalisierung soll zum Vehikel für einen modernen Staat werden, nicht nur in den Jobcentern.

Damit wartet eine Riesenaufgabe auf die Regierung. Die Ampel-Koalitionäre müssen nicht nur dafür sorgen, dass die deutsche Verwaltung Abschied vom Fax nimmt und Behörden ihre Dienste im Netz anbieten. Sie müssen den Deutschen auch überall im Land einen Zugang zum schnellen Netz garantieren, damit die Bürger solche Dienste auch nutzen können.

Der Koalitionsvertrag verspricht, vieles zu ändern. Helfen sollen ein zentrales Digitalisierungsbudget und ein Digitalcheck für Gesetze. Fast 230-mal findet sich im Koalitionsvertrag das Wort "digital" - auf 177 Seiten. Doch an Versprechen hat es selten gelegen. Allen Deutschen spätestens 2018 schnellere Onlineverbindungen ins Haus zu legen - so lautete schon zum Start der vorletzten großen Koalition das Ziel. "Damit es auf der Landkarte keine weißen Flecken mehr gibt", sagte der damalige Verkehrs- und Digitalminister Alexander Dobrindt (CSU). Die Probleme blieben.

Noch immer haben Millionen Haushalte keinen Anschluss von 50 Megabit in der Sekunde oder mehr. Noch immer gibt es viele weiße Flecken auf der Mobilfunkkarte. "Unser Ziel ist die flächendeckende Versorgung mit Glasfaser und dem neuesten Mobilfunkstandard", heißt es auch diesmal im Koalitionsvertrag. Allerdings räumt die Regierung ein, dass es nicht leicht wird: "Für die vor uns liegenden Aufgaben braucht es Tempo beim Infrastrukturausbau."

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