Die gescheiterte Ampelkoalition wird im Bundestag doch noch einmal gemeinsam ein Gesetz beschließen: SPD, Grüne und FDP wollen die Bürger im kommenden Jahr steuerlich entlasten und das Kindergeld erhöhen. Darauf haben sich die drei Fraktionen am Freitag geeinigt, nachdem sie sich in den Tagen zuvor gegenseitig Blockade vorgeworfen hatten. Allerdings muss auch der Bundesrat den Plänen noch zustimmen.
Eine Familie mit zwei Kindern und einem jährlichen Bruttoeinkommen von 60 000 Euro kann nach den Worten des Grünen-Haushälters Sven Kindler 2025 rein rechnerisch mit einer Ersparnis von 306 Euro kalkulieren. Der Grundfreibetrag, auf den keine Einkommensteuer fällig wird, soll von derzeit 11 784 auf 12 096 Euro steigen. Der Kinderfreibetrag wird demnach um 60 auf 6672 Euro, das Kindergeld um fünf auf 255 Euro angehoben.
Auch die Eckwerte im Einkommensteuertarif werden angepasst, um die sogenannte kalte Progression auszugleichen. Ohne diesen Schritt kann es passieren, dass Beschäftigte nach einer Gehaltserhöhung mehr Steuern zahlen müssen, obwohl das Einkommensplus die Inflation gerade einmal wettmacht und sich ihre Kaufkraft gar nicht erhöht. Auch die Freigrenze für den Solidaritätszuschlag wird angepasst. 2026 sollen alle Eckwerte weiter steigen. Die tatsächlichen Entlastungen hängen allerdings stark vom Einzelfall ab.
Nach dem Bruch der Ampel war offen, ob die drei Fraktionen noch einmal zusammenfinden würden. Die Geschäftsgrundlage der Koalition war Anfang November entfallen, nachdem Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) Finanzminister Christian Lindner (FDP) entlassen hatte. Dabei kam es auch zu persönlichen Anwürfen. Das Ende der Koalition bedeutete zugleich das Aus für praktisch alle Ampelprojekte, da SPD und Grüne allein im Bundestag nichts durchsetzen können. Die Union hatte es bisher abgelehnt, Rot-Grün Mehrheiten zu verschaffen.
Nun haben sich SPD und Grüne noch einmal mit der FDP geeinigt. Die Liberalen setzten dabei durch, dass nur die steuerlichen Entlastungen und die Kindergelderhöhung beschlossen werden und sonst nichts. Ursprünglich waren im Gesetzentwurf, den FDP-Chef Lindner noch als Finanzminister federführend formuliert hatte, noch eine ganze Reihe weiterer Steuerrechtsänderungen vorgesehen gewesen. Davon hätten vor allem Unternehmen profitiert.
Erst einmal vom Tisch ist insbesondere die geplante Verlängerung und Ausweitung der geltenden Abschreibungsregeln für neue Gebäude und Maschinen, mit denen die Regierung Investitionen für die Betriebe lukrativer machen und das Wirtschaftswachstum ankurbeln wollte. Die sogenannte degressive AfA war erst im Frühjahr dieses Jahres wieder zugelassen worden, wird nun von Januar an wieder entfallen – nur um im kommenden Jahr von der nächsten Bundesregierung mutmaßlich erneut eingeführt zu werden. Das ist das Gegenteil jener Planungssicherheit, die die Wirtschaft immer wieder von der Politik einfordert.
Auf Eis liegen darüber hinaus die Ausweitung der Forschungszulage sowie die vorgesehenen steuerlichen Änderungen zugunsten gemeinnütziger Körperschaften. Gleiches gilt für die Einführung des sogenannten Generationenkapitals – eines kreditfinanzierten Kapitalstocks, mit dessen Erlösen Lindner die gesetzliche Rente flankieren wollte. Umgekehrt wird es SPD und Grüne ärgern, dass nun auch die geplante Meldepflicht für bestimmte inländische Steuervermeidungsmodelle erst einmal wieder vom Tisch ist.
Das Gesetz muss durch den Bundesrat – dort kommt es auf die Union an
Lindner schrieb im Kurzmitteilungsdienst X, mit der jetzt gefundenen Regelung habe die FDP „unnötige sowie sachfremde rot-grüne Bürokratie“ verhindert. „Das war von Anfang an unser Ziel: Finanzielle Entlastung der Bürger pur, keine weiteren Ampelkompromisse“, erklärte der geschasste Finanzminister.
Dass die Entlastungen nun doch noch kommen werden, lobten auch SPD und Grüne. Aus beiden Parteien wird jedoch betont, dass sie sich noch mehr gewünscht hätten. „Ärgerlich ist, dass die dringend notwendigen Steueranreize für Investitionen und Forschung im Parlament keine Mehrheit finden. Unsere Wirtschaft hat mehr Unterstützung verdient“, sagte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne).
Ob der Kraftakt der ehemaligen Ampelparteien ausreichen wird, um das Gesetz doch noch über die Ziellinie zu bringen, ist indes offen. Denn neben dem Bundestag muss auch der Bundesrat dem Entwurf zustimmen. Zwar steht das Gros der Länder den geplanten Steuersenkungen prinzipiell positiv gegenüber. Zumindest einige stören sich aber daran, dass sie – wie der Bund – 42,5 Prozent der Mindereinnahmen tragen sollen. Die restlichen 15 Prozent der Steuerausfälle würden auf die Städte und Gemeinden entfallen. Im Bundesrat kontrollieren Landesregierungen mit Beteiligungen von CDU und CSU die Mehrheit der Stimmen. Nach der FDP wird Rot-Grün also auch noch die Union überzeugen müssen.