Die Ampelkoalition reiht Krisenrunde an Krisenrunde: Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) sind am Nachmittag mit Kanzler Olaf Scholz (SPD) zusammengekommen, um über die Wirtschafts- und Haushaltspolitik zu beraten. Bereits am Morgen hatte sich das Trio dort getroffen, anschließend ging es zur routinemäßigen Sitzung des Kabinetts. Im Raum steht ein vorzeitiges Aus der Koalition aus SPD, Grünen und FDP.
Bereits am Dienstag hatten die drei Politiker im kleinen Kreis beraten. Für den Mittwochabend ist eine Sitzung des Koalitionsausschusses angesetzt, dem zudem die Spitzen der drei Parteien und ihrer Bundestagsfraktionen angehören.
Die Koalition streitet grundlegend über die Wirtschaftspolitik, konkurrierende Gipfeltreffen und unterschiedliche Papiere hatten den Konflikt zuletzt befeuert. Konkret muss vor der entscheidenden Sitzung des Haushaltsausschusses zum Etat 2025 am 14. November auch noch eine Lücke von mehreren Milliarden Euro geschlossen werden.
Vor dem Krisentreffen am Mittwoch verdichteten sich die Anzeichen darauf, dass Scholz ins Risiko gehen und von Lindner einen sogenannten Überschreitungsbeschluss verlangen könnte. Das würde bedeuten, die Schuldenbremse für den Haushalt 2025 teilweise auszusetzen. Das schloss Lindner bislang strikt aus – zum Verdruss von SPD und Grünen.
Die Bundesregierung stehe mal wieder „Spitz auf Knopf“, sagte die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion, Irene Mihalic, am Mittwochmorgen. Angesichts des sich abzeichnenden Wahlsiegs von Donald Trump in den USA komme es auf den europäischen Zusammenhalt und auf Deutschland als Stabilitätsanker an. Es sei inakzeptabel, dass insbesondere ein Koalitionspartner sich nicht zur gemeinsamen Krisenbewältigung bereit zeige, sagte Mihalic mit Blick auf die FDP.
Ähnlich äußerte sich SPD-Chef Lars Klingbeil im ARD-„Morgenmagazin“: „Ich wünsche mir, dass alle jetzt parteitaktische Überlegungen über Bord werfen.“ Deutschland müsse nach einem Wahlsieg Trumps in den USA mehr Verantwortung für Unternehmen in Europa übernehmen, aber auch in der Welt. „Dieses Wahlergebnis aus den USA wird die Welt verändern. Da kommt es auf Deutschland an“, sagte Klingbeil. Die Koalition könne sich nun kein „wochenlanges Verhandeln in der Regierung, eine Unklarheit in der Regierung“ erlauben.
„In dieser Situation muss Deutschland voll handlungsfähig sein“, wird Habeck von seinem Ministerium zitiert. Aber auch Finanzminister Lindner sieht Trumps Wahlsieg als Auftrag an die Bundesregierung: „In der Europäischen Union, Nato und auch in Berlin müssen wir jetzt dringlicher denn je unsere wirtschafts- und sicherheitspolitischen Hausaufgaben erledigen.“
Grüne: „Wo ein Wille ist, ist auch ein Haushalt“
Die Grünen-Politikerin Mihalic erhob schwere Vorwürfe gegen Lindner: „Der Finanzminister hat sich komplett verrechnet.“ Er habe die zu erwartenden Steuereinnahmen überschätzt und beherrsche offenbar „die Grundlagen der Mathematik“ nicht richtig, die Haushaltslücke sei eine „Lindner-Lücke“. Lindners Papier mit Vorschlägen zur Wirtschaftspolitik vergrößere die Lücke nur noch.
Der grüne Wirtschaftsminister Habeck habe mit der Bereitschaft, die ursprünglich für den Chipkonzern Intel geplanten Milliarden zur Schließung der Haushaltslücke zur Verfügung zu stellen, einen wichtigen Schritt auf die Koalitionspartner hin gemacht, sagte Mihalic. „Da, wo ein Wille ist, ist auch ein Haushalt.“
Zumindest die geplante Verabschiedung eines Nachtragshaushalts für das laufende Jahr ist bereits verschoben worden – von diesem Freitag auf kommende Woche, dann zusammen mit dem Haushalt für 2025. Beide Etats stünden „in unmittelbarem und untrennbarem Zusammenhang“, erklärten die Haushaltspolitiker der Ampelkoalition, Dennis Rohde (SPD), Sven-Christian Kindler (Grüne) und Otto Fricke (FDP). Auch wenn die Befassung eines Nachtragshaushalts nach der Geschäftsordnung des Bundestages eigentlich in der Sitzungswoche nach Eingang der Stellungnahme des Bundesrates vorgesehen sei, also in dieser Woche.