Ampelkoalition:Absprachen zum Haushalt aufgekündigt

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Ringen um den Haushalt: Bundeskanzler Olaf Scholz und Finanzminister Christian Lindner. (Foto: Bernd von Jutrczenka/DPA)

Finanzminister Christian Lindner und die SPD legen sich bei der Aufstellung des Etats für 2025 und der Rentenreform gegenseitig Steine in den Weg. Wo ist bei all dem Streit eigentlich Olaf Scholz?

Von Claus Hulverscheidt, Berlin

Wer bei ihm Führung bestelle, so hat Olaf Scholz einmal gesagt, der bekomme sie auch. Dass sich mitunter aber nicht einmal die eigenen Reihen um den Machtdrang des Kanzlers scheren, zeigen die quälenden Bemühungen der Ampelkoalition um die Aufstellung des Haushalts 2025: Ausgerechnet die SPD-geführten Ministerien nämlich haben mit zusätzlichen Ausgabenwünschen in zweistelliger Milliardenhöhe einen erbitterten Streit mit Kassenwart Christian Lindner (FDP) angezettelt, obwohl dieser den Finanzrahmen im Vorfeld mit Scholz abgesteckt hatte.

Lindner konterte nun, indem er ebenfalls eine Verabredung mit dem Kanzler aufkündigte: Er stoppte die Verabschiedung des neuen Rentenpakets im Kabinett und setzte die SPD damit seinerseits unter Druck. Für die Sozialdemokraten ist die Reform ein Prestigeobjekt.

Ein Haushaltschaos, das Scholz unbedingt hatte verhindern wollen

Damit herrscht in der Regierung einmal mehr jenes Haushaltschaos, das Scholz nach den Erfahrungen des Vorjahres unbedingt hatte verhindern wollen. Er hatte deshalb bereits vor Wochen mit Lindner und Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) vereinbart, an der geltenden Finanzplanung für 2025 festzuhalten und die Ausgaben um 25 Milliarden auf gut 450 Milliarden Euro zu reduzieren, sofern es keine zusätzlichen Einnahmen gibt. Mit der Absenkung will der Bund nach der Überwindung von Pandemie und Energieknappheit auf den Ausgabenpfad von vor den Krisen und damit "zur Normalität zurückkehren".

Während die Ministerinnen und Minister von FDP und Grünen - mit Ausnahme von Außenamtschefin Annalena Baerbock - die Vorgabe weitgehend einhielten, lehnten die SPD-Ressorts den Sparkurs beinahe geschlossen ab und meldeten nicht etwa weniger, sondern sogar zusätzliche Ausgabenwünsche an.

Vor allem die für innere und äußere Sicherheit zuständigen Minister, neben Baerbock vor allem Boris Pistorius (Verteidigung) und Nancy Faeser (Inneres, beide SPD), argumentieren, dass sich die Weltlage dramatisch verändert und der im Sommer 2023 beschlossene Finanzplan deshalb mit der Realität kaum noch etwas zu tun habe. Auch die SPD-Minister Hubertus Heil (Soziales) und Svenja Schulze (Entwicklung) verlangen mehr Geld.

In Lindners Planung dürfte immer noch ein Loch von etwa 16 Milliarden Euro klaffen

Grob geschätzt dürften die zusätzlichen Ausgabenwünsche eine Größenordnung von etwa 15 Milliarden Euro erreichen. Obwohl die Schuldenbremse wegen der lahmenden Konjunktur sogar eine höhere Nettokreditaufnahme erlaubt und die letzte Steuerschätzung günstiger ausfiel als erwartet, klaffte damit immer noch ein Loch von mindestens 16 Milliarden Euro in Lindners Planung. Entsprechend verärgert ist der Minister: "Es gibt einzelne Ressorts, die exorbitante Wunschzettel eingereicht haben - Weihnachten, Ostern und Geburtstag zusammen gewissermaßen. Das ist so nicht akzeptabel", so Lindner diese Woche.

Damit ist es nun an Scholz, die Ministerinnen und Minister seiner Partei zur Räson zu rufen oder aber andere Wege aufzuzeigen, um das Loch im Haushaltsplan für das kommende Jahr zu stopfen. Der Kanzler wollte am Dienstag erneut mit Habeck und Lindner zusammenkommen, um über das weitere Vorgehen zu beraten. Bisher ist geplant, dass das Kabinett den Etatentwurf Anfang Juli beschließt.

Torpediert werden alle Einigungsversuche aber nun durch Lindners Veto gegen die Verabschiedung des Rentenpakets, das er vor einigen Wochen mit Heil selbst vorgestellt hatte. "Aufgrund hoher Anmeldungen für den Haushalt 2025 müssen aktuelle Vorhaben neu in den Gesamtkontext eingeordnet werden", hieß es im Umfeld des Ministers. Mit der Reform soll unter anderem festgeschrieben werden, dass das Rentenniveau bis zum Jahr 2039 nicht unter 48 Prozent eines Durchschnittslohns fallen darf. Zudem will die Koalition mit dem von der FDP geforderten sogenannten "Generationenkapital" eine Aktienrente einführen.

Da trotz allem sowohl der Rentenversicherungsbeitrag als auch der Bundeszuschuss an die Rentenkasse weiter steigen sollen, hatte ein FDP-Parteitag die Zustimmung der Liberalen im Bundestag jüngst von zusätzlichen Reformen abhängig gemacht.

Lindners schlägt durch sein Veto gegen die Verabschiedung im Kabinett so zwei Fliegen mit einer Klappe: Er trifft die SPD an einer für sie empfindlichen Stelle und setzt sie im Etatstreit unter Druck. Zugleich kann er den eigenen Reihen signalisieren, dass beim Rentenpaket das letzte Wort noch nicht gesprochen ist. Immerhin, am Nachmittag stieg ein wenig weißer Rauch auf: Nach Angaben aus Regierungskreisen einigten sich Scholz, Habeck und Lindner darauf, die Rentenreform "noch im Mai" durch das Kabinett zu bringen.

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