Koalitionsausschuss:Der Ampelstreit: Rechnung mit drei Unbekannten

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„Geld, das wir nicht haben, kann man nicht ausgeben“: Bisher klingt es nicht nach Frieden im Streit zwischen Robert Habeck (links) und Christian Lindner. (Foto: IMAGO/Political-Moments)

Lücken stopfen, die Wirtschaft beleben: Beim Treffen der Ampelspitzen geht es vordergründig um Geld. Doch dahinter tobt der Kampf um die bessere Wirtschaftspolitik.

Von Michael Bauchmüller, Bastian Brinkmann, Claus Hulverscheidt, Berlin

Wohin die drei Ampelpartner gerade auch blicken – es tun sich Abgründe auf. Die Wachstumsprognosen weisen ins Minus und werden nur noch von den Umfragewerten unterboten. Im Haushalt klafft ein milliardenschweres Loch. Die Stimmung innerhalb der Koalition könnte nach allen möglichen Gipfeln und Gegengipfeln, Papieren und Gegenpapieren kaum schlechter sein. Und damit all das die Ampel nicht in den Abgrund reißt, soll nun der Koalitionsausschuss die Dinge richten. Und darum geht es:

Haushalt

Zusammengenommen klafft im Haushaltsentwurf derzeit eine Lücke von rund 20 Milliarden Euro. Grund sind die anhaltende Rezession, veränderte Abführungen an die EU und die geplante Wachstumsinitiative der Regierung. Sie schmälern die Einnahmen des Bundes gegenüber der ursprünglichen Planung um 13,5 Milliarden Euro. Hinzu kommen unter anderem höhere Kosten für das Bürgergeld und die Ökostrom-Förderung.

Um dieses Loch zu stopfen, will Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) zunächst jene sieben Milliarden Euro verwenden, die in diesem und im kommenden Jahr eigentlich als Subvention an Intel fließen sollten, wegen des Projekt-Stopps durch den US-Konzern nun aber nicht benötigt werden. Weitere knapp fünf Milliarden sollen über zusätzliche Kredite finanziert werden, die der Minister aufnehmen darf, weil die Konjunktur schlechter läuft als erwartet. Durch technische Änderungen und die Verwendung von Haushaltsrücklagen kommen weitere drei Milliarden Euro zusammen. Damit bleibt unter dem Strich eine Lücke von fünf Milliarden Euro – jener „einstellige Milliardenbetrag“, über den Lindner schon wiederholt öffentlich gesprochen hat.

Noch nicht berücksichtigt sind allerdings die Steuersenkungspläne, mit denen der Finanzminister gerne das Wachstum befeuern würde. Allein die anvisierte stufenweise Absenkung des Solidaritätszuschlags sowie des Körperschaftsteuersatzes würden den Bund 2025 insgesamt rund acht Milliarden Euro kosten – und das Haushaltsloch entsprechend vergrößern. 

Ob die Intel-Milliarden an den Haushalt zurückfließen können, war zwischen Lindner und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) lange umstritten. Erst am Montag hatte Habeck signalisiert, diese Mittel – eigentlich gedacht für die Unterstützung der Wirtschaft – könnten „einen Beitrag leisten, die Haushaltslücke zu reduzieren“. Eine Hängepartie beim Haushalt könne sich das Land nicht leisten. Offen blieb nur, ob die frei gewordenen Milliarden ganz oder nur teilweise in den Haushalt fließen sollen.

Aus dem Finanzministerium kam deshalb prompt die Abfuhr. „Geld, das wir nicht haben, kann man erst recht nicht ausgeben, wenn ein Vorhaben entfällt“, hieß es dort. „Das sogenannte Angebot des Wirtschaftsministers suggeriert zudem, es gäbe eine Verfügungsmasse für einzelne Koalitionspartner, die nach deren Belieben verwendet wird. Es handelt sich aber bei allem Geld im Haushalt um Mittel der Bürgerinnen und Bürger.“ Oberstes Ziel müsse ohnehin die Stärkung des Wachstums sein. „Die Ideen des Finanzministers stoßen in Wirtschaft und Wissenschaft auf positive Resonanz“, hieß es. „Jetzt ist es am Wirtschaftsminister zu sagen, wie er den Standort Deutschland wieder fit machen will.“ Frieden klingt anders.

Wachstum

Das führt zum anderen großen Streitpunkt: der Wirtschaftspolitik. Eigentlich hatte das Bundeskabinett dazu schon im Sommer eine „Wachstumsinitiative“ beschlossen – einen 49-Punkte-Plan, der nach Worten von Kanzler Olaf Scholz nun Woche für Woche abgearbeitet werde. Und auch Habeck zieht sich darauf zurück. Werde der Plan so umgesetzt, dann verspreche das bis zu 0,5 Prozentpunkte zusätzliches Wachstum. Bei einer derzeit erwarteten Schrumpfung von 0,2 Prozent würde das die Zahlen schon aus dem Minus ins Plus drehen. Würde – denn einige Punkte verursachen immer noch Streit. So etwa der Plan, das Lieferkettengesetz abzumildern oder ein Tariftreuegesetz einzuführen.

Andere kosten wieder Geld und vergrößern damit das Haushaltsloch, siehe oben. Erst vorigen Monat etwa hat Scholz Industrieunternehmen Entlastungen bei den Stromkosten zugesagt. So sei ein „Bundeszuschuss“ zu den Netzentgelten denkbar – ein Posten, der vor allem die stromintensive Industrie sehr plagt. Auch sollten noch mehr Unternehmen als bisher von Rabatten beim Strompreis profitieren können. Wie das finanziert werden soll, ließ der Kanzler offen.

Und dann ist da noch das „Wirtschaftswende“-Papier aus dem Hause Lindner, die jüngste Eskalationsstufe. Es reißt jede Menge neue Gräben auf, von der Klima- bis zur Sozialpolitik. Beim Klimaschutz sieht Lindner einen „deutschen Sonderweg“, den er gerne verlassen will – da machen die Grünen nicht mit. In der Sozialpolitik bringt er die Sozialdemokraten gegen sich auf: Das Bürgergeld will er gerne kürzen, und bei der Rente verlangt er höhere Abschläge, wenn Menschen vor dem offiziellen Rentenalter aufhören zu arbeiten. Außerdem will er die jährlichen Rentenerhöhungen anders berechnen. In der SPD sehen sie darin eine heimliche Rentenkürzung. Ihr Rentenversprechen aus dem Wahlkampf nicht einzulösen, gilt in der Kanzlerpartei als Tabu.

Zumindest auf den ersten Blick ist so eine Situation entstanden, in der jeder Partner etwas zu verlieren hat. Der eine bangt um seinen Haushalt, die anderen um Herzensanliegen. Für einen Kompromiss ist das nicht die schlechteste Ausgangslage. Oder aber das Drehbuch zum Scheitern.

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