Die Ampelkoalition ist nicht zuletzt wegen ihrer unterschiedlichen steuer- und wirtschaftspolitischen Vorstellungen gescheitert. Das spiegelt sich auch in den ersten Reaktionen aus den großen Verbänden im Land wider. Die oberste Gewerkschafterin Deutschlands, Yasmin Fahimi, begrüßte die Entlassung von Finanzminister Christian Lindner (FDP) nach dessen „Dauerblockade“ als konsequent. „Christian Lindner hat sich selbst zu einem nationalen Risiko für eine stabile und gute Entwicklung gemacht: mit dem Angriff auf faire Löhne, sichere Renten und ausreichende Zukunftsinvestitionen“, schrieb die Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) und frühere SPD-Politikerin. Nun müssten sich „alle verantwortungsvollen Demokraten zusammenraufen“ und über Parteiinteressen hinaus Kompromisse finden. „Es darf jetzt kein Zurückziehen alleine in den Wahlkampfmodus geben.“
Das Gegenstück zu den Gewerkschaften, der Arbeitgeberverband Gesamtmetall, fordert – wie auch die Opposition im Bundestag – von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), nicht erst im Januar, sondern rasch die Vertrauensfrage zu stellen und den Weg für Neuwahlen freizumachen. „Deutschland braucht eine Wirtschaftswende. Dafür braucht es eine Richtungsentscheidung und handlungsfähige Mehrheiten“, sagte Verbandspräsident Stefan Wolf der Bild-Zeitung. Angesichts der dramatischen Lage der deutschen Wirtschaft brauche es einen Befreiungsschlag „mit großen, ambitionierten Maßnahmen“. Wolf lobte, die FDP habe das erkannt und sehr gute Vorschläge gemacht.
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Bei der Neuwahl, die am 23. Februar 2025 stattfinden soll, gilt erstmals ein neues Wahlrecht, die sogenannte Grundmandatsklausel aber bleibt. Bayerns Ministerpräsident Söder stellt die Zukunft des Deutschlandtickets infrage.
Deutschland brauche eine handlungsfähige Regierung, kommentierte der Chef des Münchner Ifo-Wirtschaftsforschungsinstituts, Clemens Fuest, ohne sich dabei aber auf eine Seite zu schlagen. Über das Ampel-Aus sagte er dem Sender n-tv: „Das ist nicht schön, aber es ist der richtige Weg.“ Es sei klar gewesen, dass die FDP einer Aufhebung der Schuldenbremse nicht habe zustimmen können. „Eine Regierung, die sich nicht zusammenrauft, die sich nicht einigen kann, geht lieber auseinander.“
Ähnlich äußerte sich Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. Er lobte, die Ampel habe mit ihrem Koalitionsvertrag die richtigen Prioritäten gesetzt und wichtige Erfolge erzielt: „Sie konnte eine tiefere Wirtschaftskrise als Folge des Ukraine-Kriegs vermeiden, sie hat den Ausbau erneuerbarer Energien und den Klima- und Umweltschutz deutlich beschleunigt, wichtige Reformen für eine offene Gesellschaft umgesetzt und angefangen, Bürokratie abzubauen.“ Dann aber sei sie daran gescheitert, einen radikalen Kurswechsel in der Wirtschafts- und Finanzpolitik hinzulegen. „Das größte Versagen ist, dass einzelne Minister und Parteien nicht mehr zum Wohl des Volkes und im Interesse des Landes agiert haben.“
Der Sozialverband VdK begrüßte Lindners Entlassung. Kanzler Scholz habe damit „eine wichtige Weiche für eine sozial gerechtere Zukunft gestellt“, sagte VdK-Präsidentin Verena Bentele, die Mitglied der SPD ist, für die sie kurze Zeit auch im Münchner Stadtrat saß. Benteles Wunsch: Die Regierung müsse nun konstruktiv mit der Opposition zusammenarbeiten, um die wichtigsten Probleme anzugehen. „Dabei darf der Blick nicht nur auf Verteidigung und Wirtschaft liegen, sondern auch die soziale Gerechtigkeit gehört zu dem Dreiklang, der Deutschland stabilisiert.“ Die FDP hingegen habe „wichtige Reformen, die die soziale Absicherung und Gerechtigkeit in unserem Land stärken sollten, immer wieder verzögert oder torpediert“ – etwa die Kindergrundsicherung, das Rentenpaket oder das Behindertengleichstellungsgesetz.