Amnesty-Jahresbericht:Schurkenstaat USA

"Stresspositionen" und "sensorische Manipulation". So bezeichnen die USA einige der Maßnahmen gegen Terrorverdächtige. Amnesty International hat dafür einen einfacheren Begriff gefunden: Folter.

Harsche Kritik an den USA für die Verharmlosung von Folter steht im Mittelpunkt des Jahresberichts 2005 von Amnesty International (AI). Misshandlung und Folter als Begriffe abzuschwächen sei einer der schwersten Angriffe gegen globale Werte, erklärte AI-Sekretärin Irene Khan bei der Vorstellung des 308 Seiten langen Berichts am Mittwoch in London. Statt einen Maßstab für den Schutz von Menschenrechten zu setzen, habe Washington neue Ausdrücke für Misshandlung und Folter geschaffen.

Durch Pseudo-Management-Begriffe wie "Stresspositionen" und "sensorische Manipulation" werde das absolute Folterverbot verwässert, sagte Khan. Gefährlich sei das auch deshalb, weil die USA als Supermacht weltweit Maßstäbe für das Verhalten von Regierungen setzten. Im Gefangenenlager Guantanamo auf Kuba wurden dem Bericht zufolge mindestens zehn Fälle von Misshandlung dokumentiert. Auch in Afghanistan hätten inzwischen freigelassene Häftlinge von Folter berichtet. Guantanamo, wo rund 540 Gefangene aus 40 Ländern festgehalten werden, sei ein moderner Gulag, erklärte Khan.

Die US-Streitkräfte im Irak hätten sich "grausamer Menschenrechtsverletzungen" schuldig gemacht, heißt es in dem AI-Bericht weiter. Dazu zählten neben Folter Tötungen und willkürliche Verhaftungen. Tausende irakische Zivilpersonen seien bei Militäraktionen ums Leben gekommen. Kritisiert wurde aber auch die neue irakische Regierung, die die Todesstrafe wieder eingeführt hat.

Über den Kampf gegen den Terror seien viele weitere Opfer auf aller Welt vergessen worden, erklärte AI weiter. So sei zu spät und zu zögerlich auf die Krise im Sudan reagiert worden, wo tausende Menschen getötet und zehntausende in die Flucht getrieben wurden.

"Bei der vielleicht schlimmsten Menschenrechtskrise der Gegenwart in Darfur hat die internationale Gemeinschaft völlig versagt", sagte die Generalsekretärin von AI Deutschland, Barbara Lochbihler, in Berlin.

Auch im Kongo, wo systematisch tausende Frauen und Kinder vergewaltigt wurden, habe niemand eingegriffen, so der AI-Bericht. In Haiti hätten nach dem Sturz von Präsident Jean-Bertrand Aristide Menschenrechtsverletzer machtvolle Positionen inne.

Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Nahen Osten

Trotz einiger Fortschritte seien gegenüber der Regierung in Peking "ernsthafte und weit verbreitete Menschenrechtsverletzungen" zu beklagen. Zehntausende Menschen säßen im Gefängnis, zudem würden in China die meisten Menschen weltweit hingerichtet. Die Zahl der staatlichen Tötungen sei vermutlich noch höher als die von AI ermittelten 3.400 Hinrichtungen.

In Afghanistan hielten Instabilität und Gewalt auch nach den Wahlen weiterhin an, ein Großteil des Landes sei für Hilfsorganisationen nicht zu erreichen. In Russland beklagte AI Misshandlungen und Folter in Gefängnissen, im Tschetschenien-Konflikt komme es immer noch zu gravierenden Menschenrechtsverletzungen. Zu leiden hätten vor allem in Asien die Frauen, heißt es in dem Bericht. In Afghanistan beispielsweise würden Vergewaltigungen und Zwangsvermählungen oft nicht als Verbrechen geahndet.

Israelischen Soldaten und militanten Palästinensern warf AI Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor. Im vergangenen Jahr töteten israelische Streitkräfte dem Bericht zufolge mehr als 700 Palästinenser, darunter 150 Kinder. Zugleich fielen den Aktionen bewaffneter Palästinensergruppen 109 Israelis zum Opfer, 67 von ihnen Zivilpersonen.

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