Amerika:Wahl gegen Bush

Warum den Republikanern bei den Kongresswahlen eine Niederlage droht - und welche Folgen das haben könnte.

Ein Kommentar von Christian Wernicke

Der bittere Kampf um die Macht, inszeniert als Komödie - diesem Vergnügen geben sich derzeit Hunderttausende Amerikaner hin. Nicht Washington, die reale Hauptstadt, lädt da zum Lachen ein.

bush; reuters

In Bedrängnis: George W. Bush

(Foto: Foto: Reuters)

Nein, der Spaß findet nur im Kino statt. Dort lockt "Man of the Year", ein leidlich gelungener Kassenschlager über einen amerikanischen Traum: Ein kleiner, gewitzter Mann schafft es bis ins Weiße Haus und zeigt es denen da oben mal so richtig.

Nach zwei Stunden Illusion schickt Robin Williams, Held und Schelm dieser Politklamotte, sein Publikum mit einer simplen Weisheit zurück in die Wirklichkeit: "Politiker sind wie Windeln: Man muss sieregelmäßig wechseln - aus demselben Grund."

Warten auf die Wende

Die Pointe trifft die Stimmung im Land. Nach knapp sechs Jahren Bush-Regentschaft, nach einem Dutzend Lenzen fast ungezügelter Herrschaft der Republikaner im Kongress treibt viele US-Wähler das Verlangen nach Wechsel um, ja nach Wandel. Millionen Amerikaner plagt das Empfinden, ihre Nation drifte in die falsche Richtung.

Dasselbe Volk, das erst vor zwei Jahren seinem 43. Präsidenten einen rauschenden Sieg gönnte, begehrt eine Wende - und sei es nur im Irak, wo mittlerweile 2800 US-Soldaten ihr Lebenließen und wo George W. Bush all das politische Kapital, mit dem er in seiner zweiten Amtszeit doch wuchern wollte, vergeudet hat.

Referendum gegen Bush

Am 7. November 2006 darf sich Amerika zwar keinen neuen Oberbefehlshaber suchen. Abgestimmt wird nur über die Zusammensetzung von Senat und Repräsentantenhaus. Aber der turnusmäßige Urnengang droht sich in ein doppelt negatives Referendum zu verkehren: Anti-Bush und Anti-Krieg.

Rückblickend könnte sich das Datum einmal als jener Tag erweisen, an dem das politische Ende dieses Präsidenten seinen Anfang fand - und die Supermacht mit dem Auszug aus der Wüste begann. In der ihm verbleibenden Regentschaft - immerhin noch 26 Monate - dürfte der Mann mit dem Bald Eagle im Amtswappen zur Lame Duck verkümmern.

Noch ist es nicht so weit. Noch gibt sich Bush unerschrocken und zuversichtlich. Mag sein, dass es der mächtigen Parteimaschine der Republikaner gelingt, den drohenden Machtwechsel wenigstens im Senat, dem Oberhaus der ältesten Demokratie der Welt, abzuwenden. Aber das Repräsentantenhaus wird fallen.

Die oppositionellen Demokraten erleben ihre Wiederbelebung ohne schlüssige,eigene Rezepte. Ihnen genügt, auf der Woge des Unwillens zu schwimmen, die sich wegen des arroganten Regierungsstils der Republikaner aufgebaut hat. Synonym dafür sind die drei Ks: der Krieg (um Bagdad), Katrina (in New Orleans) und die Korruption (auf dem Kapitol).

Herrschen durch Spalten

Reicht es also nur zu einem Personal-Wechsel aus Überdruss und nicht zu politischem Wandel? Weit gefehlt. Selbst eine knappe Niederlage in nur einer derbeiden Parlamentskammern wäre für den Präsidenten und seine republikanischen Garden eine Zäsur. Bisher baute Bush darauf, durch Spaltung zu herrschen: "Für uns oder gegen uns", das Motto des Anti-Terror-Krieges, galt auch daheim.

Statt Konsens in der Mitte suchten Bush und sein Chefstratege Karl Rove Zustimmung allein bei der Rechten. Sie wollten eine Allianz aus evangelikalen Konservativen, traditionellen Anti-Etatisten und bellizistisch gestimmten Internationalisten ("Neocons") erschaffen, die Amerikas politische Landschaft für Jahrzehnte tiefrot, also republikanisch, einfärben sollte.

Wahl gegen Bush

Nun jedoch gehen dem Weißen Haus alle drei Bataillone von der Fahne. Das verwegene Experiment, Amerikas Zwei-Parteien-System unter der Betonplatte einer "Neuen Rechten" zu begraben, dürfte am 7. November scheitern. Wie ein Akt instinktiver Notwehr mutet es an, wenn eine breite Mehrheit unabhängiger Wähler bekundet, diesmal gegen die Republikaner votieren zu wollen.

Vor allem in den Vorstädten, wo die Mittelschicht zu Hause ist, werden sich bei der Stimmauszählung die Denkzettel häufen. Der Souverän schlägt endlich zurück, gegen das Imperium. Die Demokratie made in USA - dieses sich selbst austarierende Kunstwerk der Checks and Balances - wird so am Leben gehalten.

Vorboten des Wechsels

Dieses System ist nicht auf Konfrontation angelegt. Deshalb können die Demokraten als Sieger am Tag danach auch keinen jähen Bruch bewirken. Amerikas bürgerliche Wählerrevolte wird zunächst nur den Kongresszu neuem Leben erwecken.

Als servile Untertanen hatten die Republikaner im Repräsentantenhaus zuletzt nur abgenickt, was immer das Weiße Haus ihnen als rechte Politik empfahl. Und das, was die übermächtige Exekutive den Gesetzgebern jahrelang verschwieg, etwa ihr geheimes Abhörprogramm, segneten die Abgeordneten willfährig nachträglich ab.

Sobald jedoch die bisherige Opposition in wenigstens einem Flügel des Kapitols die Mehrheit haben wird, brechen andere Zeiten an. Das Parlament wird sich aufraffen zur Kontrolle, die Selbstheilung des Systems wird beginnen.

Das wird Folgen haben, auch in der Außenpolitik und in den Entscheidungen über Krieg und Frieden, bei denen der Präsident das Sagen hat. George W. Bush muss fortan innenpolitisch lernen, was er international durchaus begriffen hat: dass er allein zu schwach ist zur Führung.

Nicht nur die Demokraten, auch moderate Republikaner und eine überparteiliche Kommission unter Ex-Außenminister James Baker werden dem Weißen Haus noch vor Jahresende einen Kurswechsel im Irak abringen.

Im Getöse des Wahlkampfs erklingen, als Vorbote des Wechsels, bereits erste Rufe nach überparteilicher Zusammenarbeit. Kluge Senatoren - wie der außenpolitische Kopf der Demokraten Joe Biden - fordern schon, im nationalen Interesse die fraktionellen Ränkespiele zu überwinden.

Kehrtwende im Irak

Keiner der beiden Parteien dürfte daran gelegen sein, ein Ende des elendigen Krieges um Bagdad zu blockieren. Die Republikaner wollen den Mühlstein Irak los werden, ehe sie 2008 mit einem neuen Präsidentschaftsbewerber in den Wahlkampf ziehen. Und jeder Aspirant der Demokraten fürchtet nichts mehr, als im Falle eines Machtwechsels dann einen längst verlorenen Krieg zu erben.

Amerikas Kehrtwende im Irak wird deshalb schnell kommen. Schneller jedenfalls, als Bush bisher glauben machen will. Er ahnt es, inzwischen dämmern ihm selbst die Parallelen zu Vietnam. Der Zeitplan des Abzugs rückt näher,Washingtons Kontaktsperre gegenüber Iraks Nachbarn Syrien und Iran wird fallen. Was dann aus dem Irak wird, ist schrecklich ungewiss.

Sicherer erscheint da eine andere Prognose: Der Alb noch eines zweiten Präventiv-Krieges - diesmal mit Luftangriffen auf Teherans Atomprogramm - dürfte der Welt erspart bleiben. Dazu fehlen Bush schlicht die Kraft und der Rückhalt im Land.

Vielleicht opfert der Präsident nach der Wahlnacht sogar Donald Rumsfeld, den Architekten seines militärischen Desasters im Irak. Es wäre ein Signal später Einsicht. Und der beste Beweis, wie weise des Komikers Kalauer über Politik und Pampers doch ist.

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