Amazonas-Gipfel:Schöne Bilder, doch der Wald brennt weiter

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Kolumbiens Präsident Iván Duque (blaues Hemd) im Gespräch mit Indigenen in Leticia. (Foto: Colombian Presidency/AFP)
  • Nach der weltweiten Empörung über Brandrodungen im Amazonas-Regenwald einigen sich die Anrainerstaaten auf einen Pakt, um ihn besser zu schützen.
  • Der Gipfel in einer Urwald-Gemeinde produziert viele schöne Bilder. Die Verpflichtungen sind jedoch alles andere als konkret.
  • Brasiliens Präsident Bolsonaro wird per Videokonferenz zugeschaltet, da er sich einer Operation unterziehen muss.

Von Benedikt Peters

Die kolumbianische Regierung hatte alles bestens vorbereitet, und so bekam sie die Bilder, die sie wollte. Da stand also Präsident Iván Duque mitten im Urwald und schüttelte die Hände der anderen Staatschefs und Regierungsvertreter, die er zum Amazonas-Gipfel eingeladen hatte. Er herzte auch die Männer von den Stämmen der Huitoto und Tikuna, die ebenfalls gekommen waren. Die Politiker ließen sich von den Indigenen mit Halsketten behängen und berieten in einer maloca, einer traditionellen Hütte. Und sie unterzeichneten schließlich den "Pakt von Leticia", benannt nach dem Versammlungsort im kolumbianischen Amazonas-Gebiet. Der Text soll die Anrainerstaaten des größten Regenwalds der Erde dazu verpflichten, ihn endlich besser zu schützen.

Duque war es am Donnerstag und Freitag tatsächlich gelungen, Vertreter beinahe aller Amazonas-Staaten an einen Tisch beziehungsweise in eine Hütte zu bekommen. Der peruanische Präsident Martin Vizcarra nahm ebenso teil wie sein ecuadorianischer Amtskollege Lenín Moreno und Boliviens Staatschef Evo Morales, der zuletzt mit starken Waldbränden zu kämpfen hatte. Hinzu kamen Vertreter von Surinam und Guyana, auch wenn deren Bedeutung für den Amazonas angesichts der Größe ihrer Territorien begrenzt ist.

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Am wichtigsten ist wohl, dass auch Brasiliens Regierung einen Vertreter nach Leticia schickte. Präsident Jair Bolsonaro musste aus medizinischen Gründen absagen, da er sich nach einer Messerattacke im Wahlkampf der nun schon vierten Operation unterziehen muss. Bolsonaro ließ sich per Video zuschalten, nach Leticia kam zudem sein Außenminister Ernesto Araújo.

Damit war auch der Staat repräsentiert, dessen Umgang mit dem Amazonas den Anlass für den Gipfel geliefert hat. Zwar wird die Natur in beinahe jedem Land Lateinamerikas rücksichtslos ausgebeutet, oft auch von europäischen oder US-amerikanischen Konzernen. Am stärksten aber sind in den vergangenen Wochen die Brandrodungen im brasilianischen Amazonasgebiet in den Fokus gerückt, die zuletzt wieder stark zugenommen haben. Verantwortlich dafür sind in der Regel Großgrundbesitzer und Holzunternehmer, die sich vom Verkauf des Holzes, der landwirtschaftlichen Nutzung und vor allem vom Besitz des Landes hohe Profite erhoffen. Unter Bolsonaro haben sie Oberwasser, da der rechtsgerichtete Präsident den Umweltschutz systematisch zurückgefahren und Kontrollbehörden geschwächt hat.

Der schmutzige Streit zwischen Bolsonaro und Macron

Die Brandrodungen sind nicht bloß eine Bedrohung für Bäume, Tiere und im Wald lebende Indigene, sondern auch fürs Weltklima. Der Amazonas bindet gigantische Mengen an CO₂, und zwei Drittel seiner Fläche liegt auf brasilianischem Territorium. Aus diesem Grund hatten zuletzt auch zahlreiche Industriestaaten Brasilien aufgefordert, den Regenwald effizienter zu schützen. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte das Thema auf die Agenda des G-7-Gipfels gehoben, woraufhin es zu einem schmutzigen verbalen Schlagabtausch mit Bolsonaro gekommen war. Brasiliens Präsident hatte Macron zunächst Kolonialismus vorgeworfen und später dessen Gattin beleidigt. In seiner Videobotschaft legte Bolsonaro noch einmal nach, er sagte: "Diese internationale Empörung hat nur das Ziel, Brasiliens Souveränität anzugreifen."

Es dürfte an diesem Streit liegen, dass Französisch-Guyana, das Überseedépartement, das ebenfalls über Amazonas-Gebiete verfügt, nicht zu dem Gipfel eingeladen wurde. Daneben fehlte nur der Krisenstaat Venezuela, dessen Verhältnis mit dem Gastgeberland Kolumbien völlig zerrüttet ist.

Der "Pakt von Leticia", auf den sich die Teilnehmer geeinigt haben, umfasst 16 Maßnahmen ( hier geht es zum Wortlaut). Die Länder verpflichten sich, bei Katastrophen am Amazonas besser zusammenzuarbeiten. Sie wollen entwaldete Gebiete schneller wieder aufforsten und Tiere schützen. Sie wollen auch Informationen darüber austauschen, was im Regenwald vor sich geht und ein "Frühwarnsystem" gegen illegale Abholzungen etablieren. Wohlwollend erwähnt sind auch private Initiativen, der Schutz von Indigenen sowie Bildungskampagnen, die das Bewusstsein in den Bevölkerungen für den Umweltschutz stärken sollen.

Sämtliche dieser Maßnahmen klingen gut. Sie sind allerdings so vage formuliert, dass Beobachter daran zweifeln, dass durch den Pakt von Leticia auch nur ein Hektar Wald weniger abgebrannt wird. An Gesetzen und Absichtserklärungen zum Schutz des Amazonas hat es auch bisher nicht gefehlt - sondern an dem Willen, diesen Schutz auch durchzusetzen. In der Rückschau gilt dies gleichermaßen für linke wie rechte Regierungen. Nach Ansicht von Umweltschützern wären vor allem zwei Dinge wichtig, nämlich einerseits eine effiziente Kontrolle der Waldgebiete, die, wenn überhaupt, durch gigantischen Personaleinsatz realisierbar wäre. Zweitens müsste den Großgrundbesitzern und Holzunternehmern die Geschäftsgrundlage entzogen werden. Beides ist im Kommuniqué zu dem Pakt aber nicht erkennbar.

Die Kraft der schönen Bilder wusste in Leticia übrigens nicht nur Kolumbiens Präsident Duque zu nutzen, sondern auch sein ecuadorianischer Amtskollege Moreno. Als die Kameras auf ihn gerichtet waren, stimmte Moreno "Pare" an, ein Stück des katalanischen Liedermachers Joan Manuel Serrat. "Vater, sagt mir, was ihr mit dem Wald getan habt", sang Moreno, "es gibt keine Bäume mehr". Wenn man sich manche Gebiete im Amazonas ansieht, dann muss man sagen: Recht hat er.

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