Südafrikas historisches Erbe:Ureinwohner bezwingen Amazon

Gericht stoppt Bau auf heiligem Boden in Südafrika.

Von Bernd Dörries, Kapstadt

Ein paar Tage nach dem Urteil trafen sie sich auf dem Land, auf dem vor Jahrhunderten bereits ihre Vorfahren gelebt haben. Sie tanzten in Lendenschürzen und trommelten und sangen: "Dieses Land gehört uns." Im Hintergrund sah man in der Ferne den Tafelberg und ein paar Meter weiter Bagger und Kräne, die nicht mehr baggern und sich drehen. Das höchste Gericht Südafrikas hatte eines der größten Bauprojekte des Landes gestoppt, die Afrika-Zentrale von Amazon, die Befürworter für eine der wichtigsten Investitionen am Kap halten, die Tausende Arbeitsplätze schaffen und beweisen soll, dass es sich noch lohnt, in Südafrika zu investieren. Die Gegner werfen den Investoren vor, auf einem Stück Land zu bauen, das für sie heilig ist, auf dem einst die Khoi und San lebten, die Ureinwohner der Region, die von Kolonialisten vertrieben wurden.

Es ist ein Streit um das historische Erbe Südafrikas und die Rechte der Khoisan, deren Geschichte oftmals vergessen wird. Nur eine Partei in dem seit Jahren andauernden Streit hat sich bisher gar nicht geäußert: Der US-Gigant Amazon will auf dem 150 000-Quadratmeter-Gelände seine Afrika-Zentrale ansiedeln, schweigt aber bisher beharrlich. Amazon hat in Afrika bisher kein Versand-Geschäft, in Kapstadt soll das Geschäft mit Cloud-Computing ausgebaut werden, dazu der Kundendienst und die Entwicklung. Das südliche Afrika ist für Amazon auch deshalb attraktiv, weil es sich in derselben Zeitzone befindet wie ein Großteil Europas, man aber den Mitarbeitern wesentlich weniger zahlen muss. Bis zu 5000 Arbeitsplätze sollen in dem sogenannten "Two River Park" entstehen, dessen Hauptmieter Amazon sein soll. Auf dem Gelände soll im Jahr 1510 die erste Schlacht zwischen Khoisan und portugiesischen Entdeckern stattgefunden haben. Die Portugiesen zogen geschlagen weiter, die Holländer blieben 150 Jahre später und pflanzten als erstes eine Dornenhecke auf dem geraubten Land, um das Vieh der Khoi zu vertreiben. Für viele wiederholt sich mit dem "kolonialen Projekt" von Amazon nun die Geschichte. Die Khoi und San, recht kleine und eher hellhäutige Sammler und Jäger, siedelten sich vor etwa 2000 Jahren im südlichen Afrika an und wurden dann von Weißen, aber auch von Schwarzen marginalisiert. Es gibt in Südafrika kaum noch Khoi oder San, die eine direkte Linie zu ihren Vorfahren ziehen können, was auch zu Diskussionen führt, wer heutzutage überhaupt die rechtmäßigen Vertreter der Gruppe sind.

Eine Gruppe von Khoisan lehnt das Vorhaben ab. Eine andere befürwortet es hingegen, weil der Investor ein von den Ureinwohnern betriebenes Kulturzentrum zugesagt habe, dazu soll es einen Kräutergarten geben und ein Amphitheater. Beide Seiten werfen sich gegenseitig vor, nicht für die wahren Interessen der Khoisan zu stehen. Manche in Kapstadt fühlen sich an die alte koloniale Taktik des "Divide and rule" erinnert, man spaltet den Gegner, um ihn zu beherrschen. Das Höchste Gericht kritisierte nun, dass nicht alle Khoisan ausreichend in das Genehmigungsverfahren eingebunden worden seien. Die Drohung der Investoren, dass sich Amazon nach einem negativen Urteil zurückziehen könnte, war der Richterin egal. Arbeitsplätze und infrastrukturelle Vorteile könnten "niemals die grundlegenden Rechte der Völker der First Nations außer Kraft setzen".

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