Am Rande des FDP-Parteitags:Gezwitscherter Gestapo-Vergleich

Lesezeit: 2 min

Ein FDP-Mitglied rückt während des Parteitags protestierende Kriminalbeamte in die Nähe der Gestapo - und hat nun eine Strafanzeige am Hals.

Gökalp Babayigit

Zwei Wahrheiten lassen sich im Streit zwischen dem Unternehmer und FDP-Mitglied Tobias Huch und dem Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) wieder einmal feststellen. Zum einen wurde "Godwins Gesetz" bestätigt, wonach mit zunehmender Länge einer Online-Diskussion die Wahrscheinlichkeit für einen Nazi- oder Hitlervergleich steigt.

Mitglieder des BDK demonstrieren vor dem FDP-Parteitag. Für Tobias Huch war dies Anlass, seinen umstrittenen Tweet ins Internet zu stellen. (Foto: Foto: ddp)

Zum anderen wurde klar: Wenn zwei Streitende behaupten, die Nerven der anderen Seite lägen blank, dann trifft das meist auf beide zu.

Die Causa ist schnell erzählt: Der BDK hat am Wochenende am Rande des FDP-Parteitags in Köln gegen die Innenpolitik der Liberalen protestiert und "zum schnellstmöglichen Zeitpunkt ein neues Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung" gefordert, "welches im Rahmen der Vorgaben der EU-Richtlinie und des Bundesverfassungsgerichtsurteils ausformuliert werden muss". So die offizielle Lesart des BDK-Vorsitzenden Klaus Jansen.

Auftritt Tobias Huch: Das FDP-Mitglied verbreitet am Samstagvormittag um 11:08 Uhr mittels seines Twitter-Kanals seine ganz persönliche Interpretation: "BDK fordert Gestapo 2.0 und will die Vorratsdatenspeicherung wieder. Demo vor dem BPT der FDP in Köln. #Zensur #Überwachung #Vorrat."

Es war nur ein Tweet, den auch anfangs nur Huchs 150 Follower gelesen haben dürften. Doch der Vergleich schlug hohe Wellen.

Wütende Reaktion

Die wütende Reaktion des BDK - Überschrift "Bei der FDP liegen die Nerven blank" - las sich so: "Das darf sich ein Politiker nicht erlauben, ich habe bereits für den Bund Deutscher Kriminalbeamter eine Strafanzeige an das Landeskriminalamt Düsseldorf übermittelt", ließ BDK-Mann Jansen verbreiten. "Die Behauptung, der BDK würde in Nazi-Manier Gestapo-Forderungen stellen, ist weit unterhalb der politischen Anstandsgürtellinie. Das ist eine strafrechtlich relevante Äußerung, die verfolgt werden muss."

Für die Reaktion des BDK zeigt Huch wiederum wenig Verständnis, wenngleich er in einem Video-Interview einräumt, eine emotionale und unsachliche Äußerung getätigt zu haben. Jeder habe den Tweet als kritische Polemik verstanden - außer der BDK. Und überhaupt habe er sich bei seiner Ankunft vor der Halle durch eine regelrechte "Knüppelgasse" aus demonstrierenden Polizisten schlagen müssen, die ihn übel beschimpft hätten.

Wieso sich Huch zu einem Vergleich mit Hitlers Geheimer Staatspolizei hat hinreißen lassen, ist vielleicht so zu erklären: Er habe bei den Demonstranten zwei Plakate gesehen. Auf dem einen habe gestanden: "Wir wollen die Vorratsdatenspeicherung wieder." Auf dem anderen: "Polizei 2.0". Da habe er gedacht: "Das ist ja eher Gestapo 2.0."

Er verstehe die Aufregung nicht, sagt Huch. Und er habe auch "definitiv" keine Polizeibeamten beleidigen wollen. "Ich sehe nur den BDK in der Kritik."

Der BDK indes zeigt sich auch am Montag noch ungehalten. "Wir haben eine 'Kripo 2.0' analog zum schnellen Web 2.0 gefordert, also eine Verbesserung bei Ausbildung oder technischer Ausstattung der Kriminalpolizei", sagte Sprecher Bernd Carstensen. Daraus eine "Gestapo 2.0" zu machen, sei für den BDK "unerträglich" und nicht hinnehmbar.

Huch kein FDP-Delegierter

Huch selbst zeigt sich angesichts der Anzeige aber gelassen. "Die Strafanzeige ist gestellt. Das ist ein PR-Instrument. Die Staatsanwaltschaft wird sie bekommen, liest sich den Twitter-Eintrag durch und wird dann nach Paragraph 170, Absatz zwei - das heißt: keine Straftat vorhanden - das Verfahren einstellen."

Huch legt mittels Twitter sogar noch nach: "Bei der schlechten Ermittlungsleistung des BDK (ich bin kein Delegierter/Politiker) hilft auch keine #Vorratsdatenspeicherung #Polemik."

Der BDK hatte Huch in seiner Pressemitteilung als FDP-Delegierten bezeichnet. Huch widersprach, was auch die FDP am Montag bestätigte. Er sei lediglich Besucher des Parteitags gewesen, sagte Huch.

© sueddeutsche.de/mcs - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: