Altersvorsorge:Schäuble drängt Richtung Rente mit 70

Weil die Menschen älter werden, will der Finanzminister den Ruhestand hinausschieben - dafür erntet er breite Kritik. Junge Leute erwarten, dass der Staat sie stärker zur Altersvorsorge antreibt.

Von Cerstin Gammelin und Thomas Öchsner, Berlin

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) stößt mit einem Vorschlag, erneut am Eintrittsalter in die Rente zu rütteln, auf großen Widerstand. Weder in der Union und noch weniger in der SPD sind derzeit führende Politiker bereit, nach der Einführung der Rente mit 67 eine Verschiebung der Altersgrenze anzustreben. "Eine Anhebung des Renteneintrittsalters steht nicht zur Debatte", sagte die Sprecherin von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD). Dieser Vorschlag sei nicht mit der Bundesregierung abgestimmt.

In den Spitzen der beiden Regierungsfraktionen, deren Vorstände sich zu einer Klausurtagung im baden-württembergischen Rust trafen, herrschte am Donnerstag Verwunderung über Schäubles Vorstoß. CDU/CSU-Fraktionschef Volker Kauder nannte es "ein bisschen eigenartig", kurz vor der höchsten Rentenerhöhung seit 23 Jahren, solche Debatten anzustoßen. Sein SPD-Kollege Thomas Oppermann sagte: "Ich halte nichts von einer gesetzlichen Verschiebung der Altersgrenze." Schäuble hatte bei einer Veranstaltung in Berlin erklärt: Es sei sinnvoll, "Lebenserwartung und Lebensarbeitszeit in einen fast automatischen Zusammenhang auch in der Rentenformel zu bringen". Dann ließe sich auch "die Altersgrenze stärker flexibilisieren". Darüber sei noch eine Debatte zu führen. Deutschland müsse seine sozialen Sicherungssysteme für den demografischen Wandel tauglich machen.

Die Regelaltersgrenze für den Renteneintritt liegt derzeit bei 65 Jahren und fünf Monaten. Sie wird schrittweise bis 2031 auf 67 Jahre erhöht. Derzeit gehen Versicherte nach Angaben der Deutschen Rentenversicherung im Durchschnitt mit 64,1 Jahren in Altersrente. Dieser Wert sagt aber nichts darüber aus, ob die Neu-Rentner es wirklich geschafft haben, so lange zu arbeiten. Sie können auch vorher arbeitslos, in Altersteilzeit gewesen sein oder wegen einer Krankheit eine Erwerbsminderungsrente bezogen haben.

Die von Schäuble angesprochene Lebenserwartung liegt für neugeborene Jungen bei 78 Jahren und zwei Monaten, für neugeborene Mädchen bei 83 Jahren und einem Monat. Wie das Statistische Bundesamt mitteilt, hat sie sich in den vergangenen zehn Jahren bei Jungen um gut zwei Jahre und bei Mädchen um eineinhalb Jahre erhöht. Auch für ältere Menschen hat die Lebenserwartung zugenommen. Bei 65-jährigen Männern liegt sie bei 17 Jahren und acht Monaten. Frauen in diesem Alter können sogar mit fast 21 weiteren Lebensjahren rechnen. Die Rentenversicherung muss das Altersgeld deshalb länger auszahlen. In Dänemark, den Niederlanden und Italien wird bereits oder wird künftig die Altersgrenze für den Eintritt in die Rente an die Lebenserwartung gekoppelt.

Menschen zwischen 17 und 27 sind laut einer repräsentativen Umfrage von TNS Infratest Sozialforschung bereit, für das Alter vorzusorgen. Sie vermissen aber tragfähige Konzepte und wünschen sich, vom Staat mehr an die Hand genommen zu werden. So sprach sich eine Mehrheit für automatische Sparregeln bei der Aufnahme eines Jobs aus.

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