Altersbezüge:Rock die Grundrente

Bundesarbeitsminister Heil besucht Mehrgenerationenhaus

Hubertus Heil freut sich über die "Silver Dancers".

(Foto: Jörg Carstensen/dpa)

Sozialminister Heil testet bei Senioren, wie der Kompromiss der Koalition dort ankommt. Er stößt auf Zustimmung, doch manchen ist mit den neuen Regeln nicht geholfen.

Von Henrike Roßbach, Berlin

Ein Pfeil weist den Weg ins "Kreativhaus". "Die Grundrente kommt", steht darauf, was gleichzeitig richtig und falsch ist, denn zunächst einmal kommt nur der Minister. Hubertus Heil (SPD), zuständig für Arbeit und Soziales, besucht an diesem Tag das Berliner Mehrgenerationenhaus direkt an der Spree. Sprechen allerdings will er in der Tat über die Grundrente, die, darauf hat sich die Koalition nach langem Hin und Her vergangene Woche geeinigt, 2021 kommen soll. Er wolle mitkriegen, sagt Heil, was die Rentner bewege, "ganz locker ins Gespräch kommen."

Zunächst aber sieht er einer Seniorinnentanzgruppe beim Linedance zu, den "Silver Dancers". Das Mitwippen zu "Jailhouse Rock" verkneift er sich zwar ("Ich habe im Bronze-Tanzkurs abgebrochen"), danach aber attestiert er den Damen in ihren gepunkteten Petticoats nicht nur ansteckend gute Laune, sondern auch, dass die Bundesregierung zwei Dinge von ihnen lernen könne: "Sie wirken koordiniert. Und Sie haben Taktgefühl."

Vor allem an der Sache mit der Koordination konnte man zuletzt in der Tat Zweifel bekommen. Auch nach monatelangen Verhandlungen über eine höhere Rente für langjährige Niedrigverdiener stand das Projekt Grundrente bis zuletzt auf der Kippe - und mit ihm die Koalition selbst. Nun aber steht die Einigung, Heil bastelt am Gesetzentwurf, von 2021 sollen vor allem Rentnerinnen von einer Aufwertung ihrer kleinen Altersbezüge profitieren. "Ein sozialpolitischer Meilenstein", sagt Heil, der im Mehrgenerationenhaus beim Kaffeekränzchen erstmals seinen Erfolg im direkten Bürgerkontakt testen kann. Er habe die Hoffnung, das Leben einiger Menschen durch die Grundrente "ein bisschen einfacher gestaltet" zu haben.

Nicht für alle Fragenden hat der Sozialminister eine Lösung parat

Die Senioren im Saal sind ihm wohlgesinnt. "Also ich bin dafür", sagt die Sprecherin der "Silver Dancers", und meint die Tatsache, dass die Grundrente den Gang zum Sozialamt verhindern soll. Dass mit der neuen Rentenleistung mitnichten alle rentenpolitischen Probleme gelöst sind, will an diesem Tag allerdings weder der Minister behaupten, noch wollen es seine Zuhörer glauben. Was denn mit ihm sei, fragt ein Mann, der mit Mitte fünfzig nicht mehr arbeiten konnte und seither nur eine kleine Erwerbsunfähigkeitsrente bekommt. Heil sagt, dass ihm weder die Grundrente noch die jüngste Verbesserung bei den Erwerbsminderungsrenten helfen werden. Denn erstere ist nur für langjährige Beitragszahler, letztere nur für Neufälle: "Das heißt, dass ich für Sie leider keine Lösung parat habe." Und auch der Rentnerin, die sagt, den heutigen Rentnern gehe es ja gut, für den langfristigen Erhalt des Systems aber müsse viel mehr getan werden, kann Heil nur sagen, dass es natürlich auch um die Jüngeren gehen müsse, um höhere Mindestlöhne, mehr Vollzeit, Tarifbindung. Und dass die Rentenkommission Vorschläge für die Zeit bis 2040 machen werde.

Während Heil das Rentenniveau erklärt, über das 19-seitige Antragsformular für die Witwenrente spricht und die Notwendigkeit einer "säulenübergreifende Renteninformation", sitzt Susanne Holtkotte neben ihm, die Krankenhaus-Putzfrau, die Heil Anfang des Jahres in einer Talkshow zur Grundrente kennengelernt hatte. Jeweils einen Arbeitstag lang haben die beiden einander im Nachgang danach begleitet, und Heil sagt, die 49-Jährige sei eine "wichtige Kronzeugin" für ihn gewesen, das "Gesicht" der Grundrente sozusagen.

Solch eine Lobhudelei sei sie gar nicht gewöhnt, entgegnet Holtkotte. 998 Euro Grundrente werde sie bekommen, statt 715,09 Euro, die sie sonst erwartet hätten, für ein Arbeitsleben zum Gebäudereiniger-Mindestlohn. "Ich habe nur zur richtigen Stelle den Mund aufgemacht", sagt sie, "man muss einfach mal nach außen zeigen: Es ist nicht alles rosig." Und: Ja, die Grundrente sei "ein Erfolg". Da seien aber noch die Niedrig- und Mindestlöhne, die müssten steigen: "Da muss auch noch ein Erfolg her."

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