Altersbezüge:Im Zwischenhoch

Die Deutschen leben länger, die Rentenversicherung muss länger zahlen. Noch spült der Job-Boom Geld in die Kassen, aber damit könnte bald Schluss sein.

Von Thomas Öchsner

Es geht zunächst um eine gute Nachricht: Die Deutschen leben immer länger. Setzt sich dieser Trend fort, könnten 2017 geborene Jungen nach Angaben des Statistischen Bundesamtes durchschnittlich bis zu 90 Jahre alt werden, Mädchen sogar bis zu 93 Jahre. Jungen und Mädchen, die vor 100 Jahren auf die Welt kamen, hatten hingegen nur eine Lebenserwartung von 55 beziehungsweise 62 Jahren. Das längere Leben hat für die Rentenversicherung jedoch dramatische Konsequenzen. Sie muss auch länger Rente bezahlen. Und das kostet viel Geld.

Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, wie dramatisch sich die Verhältnisse verschoben haben: So erhielten im Jahr 1960 die Menschen noch im Durchschnitt genau 9,9 Jahre ihre gesetzlichen Altersbezüge. Heute bekommen sie diese mit fast 20 Jahren fast doppelt so lange. Auch in den vergangenen 20 Jahren stieg die durchschnittliche Dauer des Rentenbezugs um immerhin noch 3,6 auf 19,6 Jahre. "Grund für diese Entwicklung ist vor allem, dass die Lebenserwartung in den vergangenen Jahrzehnten stetig zugenommen hat", sagte der Vorsitzende des Bundesvorstandes der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Bund, Alexander Gunkel, der Nachrichtenagentur dpa.

Das durchschnittliche Alter, bis zu dem die Rente gezahlt wird, lag nach Angaben der DRV 2016 bei 79,5 Jahren. Die Unterschiede bei den Geschlechtern sind aber nach wie vor groß: Männer haben ihre Rente im Durchschnitt bis zum Alter von 77,1 Jahren bezogen. Frauen erreichten durchschnittlich 81,8 Jahre. "Die Rentner profitieren erheblich von den längeren Rentenlaufzeiten", sagt Annelie Buntenbach. Sie vertritt den Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) im Bundesvorstand, Gunkel die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA).

Wandbild an der Hausfassade des Bremer AWO Hauses an der Straße Auf den Häfen Es zeigt ein altes Eh

Wer 35 Jahre Beiträge bezahlt hat, bekommt einen Zuschlag: Rentner als Fassadenbildmotiv in Bremen.

(Foto: Eckhard Stengel/imago)

Dass die Rentenversicherung immer länger bezahlen muss, ist derzeit noch kein so großes Problem. Der Job-Boom in Deutschland spült derzeit so viel Geld in die Rentenkasse, dass die Bundesregierung nächstes Jahr sogar den Beitrag leicht von 18,7 auf 18,6 Prozent des sozialversicherungspflichtigen Gehalts senken kann. Experten wie Gunkel sprechen von einem "demografischen Zwischenhoch" mit steigenden Renten, einem stabilen Beitragssatz und stabilem Rentenniveau. Das dürfte laut Rentenversicherungsbericht der Bundesregierung bis 2023 anhalten. Nach diesen sieben guten Rentenjahren sind jedoch eher schlechte Rentenjahre zu erwarten: Dann geht die Generation der Babyboomer mit den Geburtsjahrgängen 1959 bis 1968 in den Ruhestand. Die Rentenversicherung muss dann also noch mehr Rentnern länger Geld bezahlen.

Sowohl Ökonomen als auch Politiker haben sich deshalb zuletzt dafür starkgemacht, die Lebensarbeitszeit zu verlängern und so die Rentenkasse zu entlasten. Derzeit sollen Arbeitnehmer in Deutschland im Normalfall mit 65 Jahren und sechs Monaten in Rente gehen. Diese Regelaltersgrenze wird schrittweise bis 2031 auf 67 Jahre erhöht. Aber reicht das?

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat gerade in einer Studie vorgerechnet, was es bringen würde, die Rente mit 67 zu erweitern. So erwartet das DIW zum Beispiel 400 000 zusätzliche Erwerbstätige bei einem Rentenalter von 68 Jahren. Länger zu arbeiten und länger in die Rentenkasse einzuzahlen, hätte einen dreifach positiven Effekt: Die derzeit noch niedrigen Beitragssätze müssen nicht so stark steigen. Wer es bis 68 oder länger schafft, erwirbt höhere Rentenansprüche. Das Rentenniveau, das für einen Durchschnittsverdiener bei gut 48 Prozent seines Nettogehalts liegt, wird nach 2030 nicht so stark sinken.

Die Bundesbank, der Wirtschaftsrat der CDU, Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) und die Wirtschaftsweisen machen sich deshalb schon lange dafür stark, die Lebensarbeitszeit an die Lebenserwartung zu koppeln und die Rente mit 67 zu erweitern. Das DIW fordert jedoch gleichzeitig, Sonderregeln für die Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen nicht bis 68 oder 69 arbeiten können - aus gutem Grund: Viele schaffen es nicht einmal, bis 65 zu arbeiten, vor allem, wenn sie körperlich anstrengende Berufe haben. Sie werden vorher arbeitslos oder bekommen Erwerbsminderungsrente, weil sie zu krank für einen Job sind.

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