Im April soll es losgehen im größten Urwald der Erde, das konnte bislang auch der Kirchenrebell aus Österreich nicht verhindern. In wenigen Monaten will Brasiliens Regierung trotz internationaler Proteste mit dem Bau des Staudamms Belo Monte am Rio Xingu beginnen, einem mächtigen Nebenfluss des Amazonas. Nach den Plänen der Betreiber wird dort bis 2015 das drittgrößte Wasserkraftwerk der Welt entstehen. Für Erwin Kräutler dagegen steht in der Wildnis ein Anschlag auf Mensch und Natur bevor.
Das Projekt sei Wahnsinn, sagt der Bischof der Diözese Xingu, "ein Dolchstoß ins Herz Amazoniens". Teile der Umgebung werden unter Wasser gesetzt, Ureinwohner umgesiedelt. Das habe Folgen "nicht nur für Amazonien, sondern für die ganze Welt". Nun bekam Kräutler als Anerkennung für seine Arbeit immerhin den Alternativen Nobelpreis verliehen. Die Stiftung Right Livelihood prämierte am Montag in Stockholm seinen Einsatz für Eingeborene und Dschungel. Seit mehr als vier Jahrzehnten kämpft Kräutler gegen Ausbeutung und Plünderung in Südamerikas Riesenreich.
1965 wurde der 1939 in Koblach (Vorarlberg) geborene Priester als Missionar nach Altamira am Xingu im Bundesstaat Pará geschickt. 1980 machte ihn Papst Johannes Paul II. zum Leiter des flächengrößten Bistums Brasiliens. Der Befreiungstheologe erhebt das Wort für die indianische Bevölkerung, legt sich mit einem zerstörerischen Kartell aus Holzfällern, Farmern, Spekulanten, Politikern und Industrie an. Trotz der Gefahren.
Während der Diktatur wurde der widerspenstige Gesandte des Vatikan verprügelt und eingesperrt. 1987 überlebte er ein Attentat, als ein Lastwagen in sein Auto raste und seinen Beifahrer tötete. 1995 wurde sein Mitarbeiter Hubert Mattle erschossen, 2005 seine Vertraute, die Ordensschwester und Umweltaktivistin Dorothy Stang. Vor Geistlichen macht die Mafia nicht halt - bei dem Geschäft mit Land und Wasser geht es um viel Geld. Kräutler steht unter Polizeischutz und wendet sich gegen Mörder, Kinderschänder und Kahlschläger. Dom Erwin ist ständig in seinem Gebiet und im Ausland unterwegs, er sagt: "Ich hoffe auf den Beistand Gottes und vertraue darauf, dass er mich für den Schutz der Indios weitermachen lässt."
Als Präsident des Indianermissionsrates Cimi hatte der eingebürgerte Brasilianer Erfolg. Die Rechte der indigenen Bevölkerung wurden im Gesetz festgeschrieben. Belo Monte allerdings soll dennoch gebaut werden, Kräutler halt das für verfassungswidrig. Zwei Stämme würden vom Fischfang abgeschnitten, ein Drittel des Gebietes Altamira versinke in den Fluten, Malaria und Dengue-Fieber breiteten sich aus.
Unterstützung bekommt der Widerständler von Ökologen, der Bischofskonferenz und Prominenten wie dem Musiker Sting. Der sonst so beliebte Staatschef Luiz Inácio Lula da Silva indes gehört zu seinen Gegnern, denn Lula und seine Erbin Dilma Rousseff treiben das Bauprojekt voran. Belo Monte bringe "Chaos und Tod", klagte Kräutler, "damit ist der Fluss, die Heimat dieser Völker, geopfert." Dagegen wird Dom Erwin weiter predigen.