Alternative für Deutschland:Rechts von der CDU wächst die Konkurrenz

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Die AfD wird für die Union das, was die Linke für die SPD ist. Eine Konkurrenz, mit der man große Schwierigkeiten hat. Der politische Lebensraum verändert sich. Es ist nur die vermeintliche Stärke der Merkel-CDU, die den Blick darauf verstellt.

Kommentar von Heribert Prantl

Wer wissen will, wie es früher war, geht ins Museum. Wer wählen will, was von gestern ist, wählt die AfD. Sie verspricht ihm in Euro-Zeiten das Deutsche-Mark-Gefühl. Sie ist gegen die Homo-Ehe, gegen die Frauenquote, gegen Einwanderung und ganz besonders gegen Flüchtlinge. Homosexualität gilt der AfD als gefährliche, aber heilbare Verirrung. Gleichberechtigung heißt dort "Gender-Wahn". Und die Abtreibung wird als "Frevel" bezeichnet.

Es gibt gar nicht so wenige Wähler, denen das gefällt - um die zehn Prozent in Sachsen. Man mag die AfD als schwarz-rot-goldene Variante der amerikanischen Tea Party bezeichnen, liegt aber damit nicht ganz richtig. Der AfD fehlt das absolut Reaktionäre, das absolut Kompromissfeindliche, das Ku-Klux-Klanhafte, das die Tea Party hat.

Nationalkonservative und Fundamentalisten

Diese neue Partei ist auch nicht der abgebrochene rechte Flügel der CDU/CSU, aber man findet dort deren Federn. Es ist jedenfalls so, dass auf den rechten Arealen der politischen Landschaft eine Partei wächst, die für die Union das ist, was für die SPD die Linke war und ist: eine Konkurrenz, mit der man große Schwierigkeiten hat. Es entwickeln sich in der CDU Debatten über Koalitionsaussagen und -verbote, wie sie in der SPD nach 25 Jahren gerade abklingen.

Wer in und mit der AfD unterwegs ist, macht eine Zeitreise in die alte CDU, in die CDU vor dreißig Jahren. Er trifft dort Nationalkonservative und christliche Fundamentalisten, er trifft Evangelikale und Strengkatholiken, er trifft auch Leute, denen die Justiz zu lasch ist und die mehr deutsche Musik im Radio hören wollen.

Lucke-Sätze, die nach FJS oder Kanther klingen

Früher, noch zu Helmut Kohls Zeiten, redeten die Rechtskonservativen in der Union so ähnlich. Es waren Leute wie Alfred Dregger, bis 1991 Chef der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Oder wie Manfred Kanther, bis 1998 Bundesinnenminister. Oder wie der katholisch-konservative Norbert Geis, der bis 2013 im Bundestag saß.

Und da gab es einst natürlich Franz Josef Strauß, der ressentimentgeladen daherredete, wenn es ihn gerade überkam. "Wir sind nicht das Weltsozialamt" - der Satz könnte alt, er könnte von Strauß, Kanther oder Dregger sein. Es ist aber von Bernd Lucke, dem Chef der AfD.

In Merkels CDU spielen die Rechtskonservativen kaum noch eine Rolle. In der Wählerschaft ist das anders. Da sucht sich das Unbehagen an der modernen Gesellschaft eine behagliche Andockstation - und findet sie derzeit bei der Alternative für Deutschland. Zumal in den konservativen deutschen Provinzen, zu denen das sächsische Land ganz besonders gehört, ist das so.

Sachsen, einst Wiege der roten Sozialdemokratie, ist heute das konservativste und rechteste deutsche Bundesland. Darum findet die AfD dort ihre Heimat, darum hat die NPD dort immer noch ihren größten Stützpunkt. Fünfzehn Prozent der Wähler in Sachsen wählten stark rechts: rechtsaußen und rechtsdraußen. Und weil in Sachsen eine jüngere Frau an der Spitze steht, merkt man dort auch nicht gleich, dass die AfD eigentlich eine Partei älterer Männer ist.

Anders als die Piraten zerbricht die AfD nicht

Sie ist noch eine Partei in der Anfangsphase, die einige Turbulenzen hinter und noch weitere vor sich hat. Aber offenbar zerbricht sie daran (anders als die Piratenpartei) nicht. Manche Beobachter sehen in der AfD den Ersatz für die FDP in der Parteienlandschaft. Andere sehen in ihr die Lightversion der NPD. Die kurze Entstehungsgeschichte der Partei spricht zunächst dafür, in ihr eine professoral-liberale Partei (freilich ohne bürgerrechtlichen Anspruch) zu sehen.

Leute wie der emeritierte Ökonomieprofessor Joachim Starbatty stehen für diese Richtung; und, natürlich, Hans-Olaf Henkel, der Ex-Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie. Hätte die AfD 2013 den Einzug in den Bundestag nicht knapp verpasst, wäre diese Richtung wohl die tragende geworden: eine wertkonservativ-bürgerliche Partei mit wirtschaftsliberalen Repräsentanten. Diese sitzen aber jetzt nicht im Bundestag, sondern im EU-Parlament, also nicht im Zentrum der Aufmerksamkeit.

Wahlerfolg der AfD in Sachsen
:Ohne jedes Zittern

Fünf Prozent waren an diesem Wahlsonntag keine Herausforderung für die AfD. In Sachsen wollte die Partei zeigen, dass sie eine neue feste Größe in der deutschen Parteienlandschaft werden könnte - eine Art FDP, nur deutlich weiter rechts.

Von Jens Schneider

Die FDP ist verdorrt, die AfD schießt in die Höhe

In den Wahlkämpfen für die ostdeutschen Landtage erlebt die AfD soeben einen Rechtsruck: weg von der bürgerlichen, hin zu einer kleinbürgerlichen, tendenziell nationalistischen, fremdenfeindlichen und ressentimentgeladenen Politik. Wenn die AfD mit solchen Kampagnen Landtags-Wahlerfolge feiert, wird es die Bundesparteiführung schwer haben, diese Töne wieder leiser zu stellen.

Die scheinbar ewige Stärke der Merkel-CDU verstellt den Blick auf die neue politische Fauna und Flora in Deutschland: Die FDP ist verdorrt. Die AfD sprießt nicht nur, sondern schießt wie wild in die Höhe. SPD und Linke blühen eher bescheiden; das sächsische SPD-Großtalent Martin Dulig hat keine Wunder vollbringen können; das wird noch viele Jahre dauern. Und der wachstumsgehemmte Baum der Grünen? Er streckt seine Arme nicht nur nach links, sondern immer mehr auch nach rechts; seine Blüten werden dabei gelblich. Der politische Lebensraum in Deutschland verändert sich.

© SZ vom 01.09.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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