Alternative für Deutschland:Nächstes Ziel Europawahl

Alternative für Deutschland: Spitzenkandidat Bernd Lucke am gestrigen Wahlabend

Spitzenkandidat Bernd Lucke am gestrigen Wahlabend

(Foto: AP)

Die Alternative für Deutschland verpasst mit 4,7 Prozent knapp den Einzug in den Bundestag. Doch Parteichef Bernd Lucke macht klar: Das ist nur der Anfang. Vor welchen Herausforderungen die Anti-Euro-Partei nun steht.

Eine Analyse von Hannah Beitzer, Berlin

Es ist mehr als nur ein Achtungserfolg: Die eurokritische Partei "Alternative für Deutschland" verpasst mit 4,7 Prozent der Stimmen den Einzug in den Bundestag nur knapp - und liegt ganz hauchdünn hinter der ehemaligen Regierungspartei FDP.

"Wir haben die anderen Parteien wahrhaft das Fürchten gelehrt", so bilanziert Parteisprecher Bernd Lucke den Wahlausgang. Und er ist sich sicher: "Wir sind eine neue Volkspartei." Seine AfD habe die Demokratie "ertüchtigt", nachdem man in den vergangenen vier Jahren so viel an "Entartungen von Demokratie und Parlamentarismus" erlebt habe.

Entartungen? Das ist ein weiteres dieser unglücklichen Zitate, die dem Volkswirtschaftsprofessor im Wahlkampf den Vorwurf des Populismus einbrachten - doch an diesem Abend ficht ihn das nicht an. Er ist stolz auf den Überraschungserfolg seiner Partei.

Die AfD hatte sich erst im April gegründet. Ihre wichtigste Position ist die Kritik an der Euro-Politik von Kanzlerin Angela Merkel. Sie setzt sich außerdem für mehr Bürgerbeteiligung ein, vor allem in Europafragen. Auch eine Rückkehr zur D-Mark dürfe "kein Tabu" sein, heißt es im Wahlprogramm.

Bundestagswahl 2013

Das ist im Moment noch relativ dünn, ein Parteiprogramm abseits davon gibt es nicht.

Acht magere Absätze umreißen in kurzen Sätzen, worum es der AfD geht: Neben Euro-Kritik und Bürgerbeteiligung steht darin auch die Forderung nach einer Vereinfachung des Steuermodells. Das war vermutlich einer der Gründe, warum die meisten AfD-Wähler abtrünnige FDPler sind.

Zudem will die AfD Familien finanziell besserstellen und sieht auch die Bildung in erster Linie als Familien- und nicht als Gemeinsache. Eine Position, die ihr zum einen als Versuch ausgelegt wird, die zuletzt auf Kita-Ausbau bedachte Union familienpolitisch auf der konservativen Spur zu überholen, die andere Beobachter aber auch wieder als Beweis für neoliberales Misstrauen gegenüber dem Staat interpretieren.

Zudem setzt sich die Partei für eine Zuwanderung nach "kanadischem Vorbild" ein, will heißen: Qualifizierte Migranten sollen ins Land geholt werden. Zudem sollen "ernsthaft politisch Verfolgte" weiterhin in Deutschland Asyl erhalten.

Was die AfD damit meint, machte Parteisprecher Bernd Lucke auf einer Wahlkampfveranstaltung klar. Zuwanderer ohne Deutschkenntnisse und Ausbildung kämen allzu häufig unvorbereitet ins Land und bildeten "eine Art sozialen Bodensatz - einen Bodensatz, der lebenslang in unseren Sozialsystemen verharrt".

Vorwurf des Rechtspopulismus

Aussagen wie diese brachten ihm den Vorwurf des Rechtspopulismus ein, ebenso eine Äußerung im Interview mit dem Handelsblatt, in dem er davon sprach, gemäßigte NPD-Wähler gewinnen zu wollen. Selbst sieht die Partei das natürlich anders, sie geriert sich als seriöse Stimme der Vernunft, verweist stolz auf die vielen Professoren und Ökonomen in ihren Reihen.

Doch auch wenn das Programm formal noch dünn und die Stoßrichtung unklar ist: Die AfD überzeugte zweifellos eine nicht zu vernachlässigende Anzahl von Wählern. Sie hat in allen politischen Lagern Stimmen für sich gewonnen. 450.000 wechselten nach ARD-Angaben von den Liberalen zu den Euro-Kritikern. Die zweitgrößte Gruppe unter den AfD-Wählern sind frühere Linke-Unterstützer, 360.000 entschieden sich am Sonntag für die neue Partei. Von der Union wanderten 300.000 Wähler zur AfD. Hinzu kamen 240.000 frühere Nichtwähler.

Darunter waren auch viele Protestwähler: Einer Analyse der Forschungsgruppe Wahlen zufolge setzten 67 Prozent der AfD-Wähler aus Frust über die etablierten Parteien ihr Kreuz bei den Euro-Kritikern, nur 14 Prozent entschieden sich wegen politischer Inhalte für sie.

Nächstes Ziel: Straßburg

Genau diese politischen Inhalte muss die AfD nun konkretisieren, will sie den Ruf einer reinen Anti-Euro-Protestpartei ablegen und sich auch außerhalb von Finanzfragen profilieren. Der nächste große Test für Bernd Lucke und seine Leute ist die Europawahl im Mai 2014. Dort gilt keine Fünf-Prozent-Hürde, sondern es genügen schon drei Prozent der Stimmen für einen Einzug ins Straßburger Parlament.

Im Sommer und Herbst folgen dann in Deutschland Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg. Auch das könnte spannend werden, denn in Ostdeutschland schnitten die Euro-Kritiker bereits bei der Bundestagswahl besonders gut ab. Hier wären sie mit beinahe sechs Prozent eindeutig ins Parlament eingezogen. Dieses gute Ergebnis ging auch zulasten der Linkspartei, die ebenfalls der Euro-Politik von Kanzlerin Merkel kritisch gegenübersteht.

Sogar skeptische Linke-Wähler haben nun - ähnlich wie eurokritische Sympathisanten von Union und FDP - eine Alternative, die für die anderen Parteien reichlich überraschend auf der Bildfläche erschienen ist. Und die AfD, so machen es ihre Vertreter am Wahlabend deutlich, hat auch nicht vor, so schnell wieder zu verschwinden.

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