Alter und neuer Präsident Italiens:Napolitano fordert Reformeifer von Parteien

Giorgio Napolitano, Präsident, Italien

Neuer, alter Präsident: Giorgio Napolitano am Montag im italienischen Parlament

(Foto: AFP)

Er kämpft mit den Tränen und droht mit Rücktritt: Italiens wiedergewählter Präsident Napolitano hat an die Parteien appelliert, sich nicht mehr gegen dringend notwendige Reformen zu sperren. Schon in wenigen Tagen könnte er eine neue Regierung vorstellen.

Der wiedergewählte italienische Präsident Giorgio Napolitano hat die Parteien zu tiefgreifenden Reformen aufgerufen. In einer Rede vor dem Parlament drohte der 87-Jährige zugleich mit seinem Rücktritt, falls sich die Politik den Veränderungen verweigern sollte. Die politische Blockade habe dramatische Ausmaße angenommen. Deshalb habe er sich dem Ruf nach seiner Wiederwahl am Wochenende nicht entziehen können, sagte der Ex-Kommunist, der sich wegen seines hohen Alters ursprünglich aus der Politik zurückziehen wollte.

Die Risiken des nach der Wahl im Februar eingetretenen Patts seien ohne Beispiel. Napolitano rief das in einer tiefen Krise steckende Italien dazu auf, Selbstvertrauen, aber auch das Vertrauen des Auslands zurückzugewinnen. Während seiner Ansprache musste das Staatsoberhaupt mehrmals mit den Tränen kämpfen.

Amato könnte Regierungschef werden

Beobachter gehen davon aus, dass Napolitano sehr schnell Grundzüge für die Arbeit des Kabinetts mit Reformvorschlägen für die Wirtschaft und die politischen Institutionen vorlegen wird.

Presseberichten zufolge hat der frühere sozialistische Ministerpräsident Giuliano Amato gute Chancen, Chef einer Regierung aus Technokraten und Parteienvertretern zu werden. Der 75-Jährige hatte dem Land in den neunziger Jahren während zweier Amtsperioden Reformen und Sparprogramme verordnet.

Der inzwischen zurückgetretene Pier Luigi Bersani von der linken Demokratischen Partei (PD) hatte sich trotz eines Wahlsieges Ende Februar keine Regierungsmehrheit sichern können. Das Parlament ist durch ein Patt blockiert. Seine Kandidaten für das Amt des Staatschefs fielen durch. Napolitano könnte nun eine zeitlich begrenzte "Regierung des Präsidenten" mit gezielten Reformaufträgen antreten lassen.

Zweifel an Stabilität der Koalition

Angesichts der Zerfallsprozesse in der Demokratischen Partei (PD) wurden allerdings Zweifel an der Stabilität der möglichen Koalition laut. Denn der Regierung müsste auch das Bündnis des früheren Regierungschefs Silvio Berlusconi angehören, mit der die PD nicht zusammenarbeiten will.

PD-Chef Pier Luigi Bersani und die Parteiführung waren zurückgetreten, nachdem zwei ihrer Kandidaten für das Amt des Präsidenten auch am Widerstand in den eigenen Reihen gescheitert waren. Daraufhin verständigte sich die Mehrheit der Parteien im Wahlgremium darauf, Napolitano eine zweite Amtszeit anzutragen. Der Ex-Kommunist ließ sich am Samstag erneut zum Staatsoberhaupt wählen. Er ist der erste italienische Präsident, der wiedergewählt wurde.

Nicht beteiligt an der Absprache über die Wiederwahl Napolitanos war die Protestbewegung des früheren Komikers Beppe Grillo, die im Parlament drittstärkste Kraft ist. Grillo sprach von einem Staatsstreich und rief zu Massendemonstrationen gegen die etablierten Parteien auf. Auch die neue Regierung will Grillo boykottieren.

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