Süddeutsche Zeitung

Pflege:Senioren brauchen mehr Wertschätzung

Die Geringschätzung der Alten ist der wahre Grund für den Pflegenotstand und den Personalmangel in den Heimen. Die Pläne der Regierung werden das kaum verändern können.

Kommentar von Werner Bartens

Alte Menschen haben keine Lobby. Sobald sie Mühe machen und Hilfe brauchen, werden sie in Heime abgeschoben oder zu Hause im Verborgenen gepflegt. Sie sind ausgeschlossen von gesellschaftlicher Teilhabe und auf ihren Rat wird kaum noch gehört, auch wenn Sonntagsredner gerne den Erfahrungsschatz der Senioren beschwören und dazu Beispiele exotischer Völker bringen, die ihren weisen Alten einen Platz in der Stammesmitte einräumen. Ein schönes Bild - der hiesigen Realität entspricht es keineswegs.

Hier geht es den Alten eher wie einer verblassenden Erinnerung. Sie werden vergessen, vernachlässigt, versteckt. Diese Geringschätzung des Alters und der Alten ist der wahre Grund für den Pflegenotstand und den Personalmangel in den Heimen. Weil alte Menschen eher als lästig denn als bereichernd gelten, gilt auch der Beruf des Altenpflegers nicht als besonders attraktiv.

Die Pläne der "Konzertierten Aktion Pflege", die Arbeitsminister Heil, Familienministerin Giffey und Gesundheitsminister Spahn jetzt vorgestellt haben, zielen in die richtige Richtung, werden aber das Imageproblem der Pflege und den oftmals herablassend-mitleidigen Blick auf die Alten kaum verändern können. Zudem sind sie viel zu unverbindlich.

Natürlich wäre es wichtig, Pflegekräfte besser zu bezahlen - das ist eine zur Banalität verkommene Forderung, seit es den Pflegenotstand gibt. Dazu können Tarifverträge oder ein höherer Mindestlohn beitragen, wie jetzt vom Minister-Trio vorgeschlagen wurde. Eine bessere Ausbildung mit Möglichkeiten zur Zusatzqualifikation, mehr Geld für die Pflegeversicherung sowie ein Personalschlüssel, der die Pflegekräfte nicht an ihrer Arbeit verzweifeln lässt, sind ebenfalls wichtige Bausteine, um die Pflege aufzuwerten und neben schönen Worten auch materielle Hilfe anbieten zu können.

Allerdings sind alle diese Ideen nicht neu, und vor allem bleibt unklar, wer die zusätzlichen Kosten tragen soll. Zudem gibt es einen Strukturfehler: Ungefähr die Hälfte aller Heime in Deutschland ist in der Hand von privaten Trägern, einige davon gehören gar Fondsgesellschaften. Wo Rendite an erster Stelle steht, sind kaum finanzielle Verbesserungen für die Pflege zu erwarten. Vielmehr wird es ein zähes Ringen um alles geben, was mehr kostet.

Pflege und Gesundheit gehören zur Daseinsfürsorge und damit in öffentliche oder konfessionelle Hand. Wenn die Alten zunehmend zum Spekulationsobjekt werden, ist keine Besserstellung der Pflegekräfte zu erwarten. Für eine Wertschätzung des Alters spricht es schon mal gar nicht.

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