Alt-Bundespräsident Roman Herzog:"Grundrecht auf Dummheit"

Roman Herzog ist bekannt für klare Worte: Vor elf Jahren hielt er seine Ruck-Rede, kürzlich forderte er eine Änderung des Wahlrechts und kritisierte die "Rentnerdemokratie". Nun lässt er sich in einem Interview über die politische Klasse Deutschlands aus.

Alt-Bundespräsident Roman Herzog führt die geringe Reformbereitschaft der Deutschen auf einen Mangel an politischer Führung durch Politiker und Parteien zurück.

Alt-Bundespräsident Roman Herzog: Alt-Bundespräsident Roman Herzog

Alt-Bundespräsident Roman Herzog

(Foto: Foto: dpa)

Es gebe zwar eine gewisse Bereitschaft zu Veränderungen, sagte Herzog der Bild-Zeitung. "Aber es bräuchte politische Führung, echtes Charisma, um sie zu mobilisieren", fügte er hinzu.

Weil bei annähernd gleich großen politischen Lagern jeder Schritt die Mehrheit kosten könne, stünden die politischen Parteien eher still, monierte Herzog. "Wenn ich mir das aktuelle Personal anschaue, weiß ich nicht, ob ich lachen oder weinen soll", sagte er. Die wenigen deutschen Politiker, die Charisma hätten, seien leider Populisten.

Die Reformpolitik der vergangenen zehn Jahre sei dilettantisch durchgeführt und den Menschen ungenügend erklärt worden. In dem Interview kritisierte Herzog: "Vor allem sagt die Politik viel zu selten, wohin es geht und wie weit."

Seine Idee, um Reformbereitschaft unter den Deutschen zu wecken, sei eine Entlastung der Bruttolöhne von Steuern und Abgaben, sagte Herzog. In der Vergangenheit sei "zu vieles hochtrabend Reform genannt worden, was in Wahrheit Kleckerkram war".

Insgesamt sei den Bürgern zwar viel versprochen worden, aber die Nettolöhne seien wegen Abgaben, Steuern und Inflation mehr als ein Jahrzehnt lang nicht gestiegen. Deshalb sei der politische Linksruck in der Bevölkerung kein Wunder. 70 Prozent der Bevölkerung seien für den Mindestlohn, schreibt die Zeitung - darauf erwidert Herzog: "Es gibt auch ein Grundrecht auf Dummheit."

Die außerplanmäßige Erhöhung der Renten durch die große Koalition halte er für eine Reaktion auf die Kritik von Linkspartei-Chef Oskar Lafontaine, sagte der Alt-Bundespräsident. "Da hat er offenbar einen wunden Punkt bei den Volksparteien getroffen", sagte Herzog in dem Interview mit der Bild-Zeitung.

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