Tech-Konzerne:Europa muss den Kampf gegen die Tech-Giganten alleine führen

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Mark Zuckerberg wird per Video in die Kongresshalle in Washington übertragen (Foto: Graeme Jennings/imago images)

Apple, Google, Facebook und Amazon machen die Konkurrenz durch Mobbing klein. Doch der US-Kongress lässt sie ungeschoren davonkommen.

Kommentar von Andrian Kreye

Alles war vorbereitet für einen historischen Moment im amerikanischen Parlament. Die vier mächtigsten Männer der digitalen Welt standen vor einem Untersuchungsausschuss unter Eid. Kongressabgeordnete hatten ein Jahr lang ermitteln lassen und daraus einen Fragenkatalog voller Ungeheuerlichkeiten erarbeitet. Jerry Nadler, ein Demokrat, zitierte Gründervater Thomas Jefferson, dass politische oder wirtschaftliche Machtkonzentration eine Gefahr für die Demokratie sei. Wie das Hearing dann lief, konnte man live im Börsenticker verfolgen.

Die Aktien der vier vorgeladenen Konzerne Amazon, Apple, Facebook und Alphabet/Google stiegen parallel zur Anhörung um ein ganzes Prozent. Bei Firmen, die jeweils mehr als eine Billion wert sind, waren das zusammengerechnet also mindestens 40 Milliarden Dollar Wertzuwachs. Das ist fein für die Firmen, aber eher ein schlechtes Zeichen für den Rest der Welt. Der Markt hatte an diesem Sommertag vor nichts so viel Angst wie vor der Aussicht, dass sich der Staat gegen die so sinistren wie profitablen Geschäftspraktiken der großen Vier durchsetzen könnte.

Alphabet, Amazon, Apple und Facebook
:Tech-Giganten schreiben auch in der Krise schwarze Zahlen

Die US-Wirtschaft erlebt einen dramatischen Einbruch, doch die großen Vier in den USA machen weiter Gewinn. Ihr Gesamtwert steigt dadurch im eine viertel Billion Dollar.

Es lag dieses Mal nicht einmal am technischen Unverständnis der Politiker, das bei digitalen Themen in Washington, Brüssel oder Berlin oft in Sackgassen führt. Die meisten Abgeordneten hatten verstanden, wie die vier Firmen ein Oligopol bilden konnten, wie man es seit dem 19. Jahrhundert nicht mehr erlebt hat.

Was die Abgeordneten - vor allem der Demokratischen Partei - aus der Aktenlage in die Fragerunde warfen, erinnerte zu einem Großteil an die Drehbücher all jener Fernsehserien, die einen eher faszinierten Blick auf den Raubtierkapitalismus haben. "The Sopranos" etwa, "Billions" oder "Succession". Ähnlich rücksichtslos wie die Mafia-, Verleger- oder Spekulantenfamilien gehen auch die großen Vier der digitalen Welt vor. Besonders gegen die Konkurrenz.

Wer, egal wo auf der Welt, zu sehr glänzt und auf dem Radar der großen Konzerne auftaucht, wird ein Angebot bekommen, das man nicht ausschlagen kann

Von feindlichen Übernahmen über geistigen Diebstahl bis zu Drohungen und juristischen Großangriffen, um Mitbewerber zu ruinieren, war das gesamte Repertoire quasi legalen Mobbings dabei. In der Start-up-Szene ist das schon lange bekannt. Wer, egal wo auf der Welt, zu sehr glänzt und auf dem Radar der großen Konzerne auftaucht, wird ein Angebot bekommen, das man nicht ausschlagen kann. Fruchtet das nicht, wird einfach geklaut und geklagt. Und wer kann sich solche Prozesse schon leisten, die in der Regel eine Million und mehr kosten?

Da war viel harter Stoff, den die Abgeordneten da in die Videowand sprachen. Doch die vier Chefs brachte das nicht aus der Ruhe. Auch sie waren hervorragend vorbereitet. Amazon-Gründer Jeff Bezos und Google-CEO Sundar Pichai begannen die Anhörung mit einer rührenden Mischung aus Tellerwäscher-Biografie und Tante-Emma-Laden-Patriotismus. Apple-Chef Tim Cook und Facebook-Gründer Mark Zuckerberg konnten zwar nicht ganz so effektiv auf die Tränendrüse drücken, setzten dem Zynismus aber noch einen drauf, indem sie leichenfledderisch des Bürgerrechtskämpfers John Lewis gedachten, wegen dessen Trauerfeier die Anhörung verschoben worden war.

Die vier hatten sich offensichtlich gut abgesprochen. Rhetorisch blieben sie jedenfalls auf einer Linie. Immer wieder betonten sie, dass sie ja gar nicht die Größten sein wollten, nur die Besten. Dass sie das alles im Dienste der Allgemeinheit und der Kunden, des Miteinanders und eines wahrhaft freien Marktes täten. Vor allem aber gingen sie vor den Angriffen der Abgeordneten hinter einem Wall aus bürokratischen Floskeln und Ausflüchten in Deckung. Grobe Praktiken waren "Einzelfälle", genaue Abläufe wollten sie nicht kennen, sich an Gespräche und Abmachungen nicht erinnern. Sie versprachen nachzuhaken, Verantwortliche zu finden, einzuschreiten. Und sich bald zu melden.

Politiker sind solche Auseinandersetzungen nicht gewohnt. Gerade in der amerikanischen Debattenkultur folgt auf jeden Schlag ein Gegenschlag. Jede Auseinandersetzung ist auch ein Duell. Endlose Runden rhetorisches Versteckspiel überfordern selbst versierte Politiker wie Jerry Nadler oder David Cicilline.

Hinzu kam, dass die Republikaner in der Kommission offensichtlich den Auftrag hatten, nur Donald Trumps persönlichen Groll auf die Digitalen im Kongress zu zementieren. Ideologen wie Jim Jordan und Matt Gaetz ritten immer wieder darauf herum, dass Internetfirmen Konservative zensierten. Das warf die Anhörung mehrmals aus der Bahn und zeigte, wie nah die USA schon daran sind, als "failed state", als gescheiterter Staat, handlungsunfähig zu sein. So loggten sich die vier digitalen Titanen weitgehend unbeschädigt aus der Anhörung aus. Es wäre so wichtig gewesen, wenn der Kongress die vier in die Defensive getrieben hätte. Nach diesem historischen Versagen liegt es weiterhin an Europa, diesen Kampf zu führen. Die Gesetze aber, die den Aufstieg des Oligopols möglich gemacht haben, wurden in den USA gemacht.

© SZ vom 31.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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