Klettern, das wissen vielleicht nicht alle, ist ein Breitensport. Das klingt lustig, weil man sich doch vorwiegend in die Höhe bewegt. Jedenfalls geht die Zahl der Kletterer, wenn man so will, immer mehr in die Breite. Der Deutsche Alpenverein (DAV) geht derzeit von mindestens 500 000 aktiven Kletterern in Deutschland aus. Die Tendenz ist - was denn sonst - steigend.
Eine Begleiterscheinung dieser Popularität ist, dass auch kommerzielle Anbieter das Klettern entdeckt haben - sie sprechen folgerichtig von Trendsport. Das hat zu einer Konkurrenzsituation geführt, die nun vor Gericht ausgetragen wird: Ein Kletterhallen-Betreiber, unterstützt vom Branchenverband Klever, klagt dagegen, dass die Kommunen dem DAV günstige Immobilien zur Verfügung stellen und damit die kommerziellen Anbieter benachteiligen. Etwa bei einem Berliner Grundstück, das die dortige DAV-Sektion für 1100 Euro gemietet hat - pro Jahr.
An diesem Mittwoch hat ein Luxemburger EU-Gericht in erster Instanz über den Fall verhandelt, in dem es um ein Grundsatzproblem geht. Rund 200 Kletteranlagen werden in Deutschland vom gemeinnützigen DAV betrieben, fast ebenso viele Hallen sind in der Trägerschaft kommerzieller Anbieter. Man klettert heutzutage gern ohne Steinschlag und Wettersturz. Die privaten Betreiber sehen sich aber kaum in der Lage, gegen die dank öffentlichen Geldes mächtige Konkurrenz des eine Million Mitglieder starken Alpenvereins zu bestehen. In Freiburg etwa habe der DAV eine Halle in der Nähe einer privaten Kletteranlage gebaut, sagt Meike Riedmüller vom Verband Klever. Der Wettbewerb sei auch deshalb ungleich, weil sich der DAV nicht damit begnüge, die Indoor-Alpinisten in Fertigkeiten wie Anseilknoten und Partnersicherung zu unterweisen. Er halte häufig ein kommerziell geprägtes Begleitangebot vor, mit Wellness, Gastronomie und Sonderevents.
Der Luxemburger Kletterstreit führt mitten ins europäische Beihilferecht. Ein Rechtsgebiet, das den Kommunen die Daseinsvorsorge schwermacht, sagt Susanne Müller-Kabisch von der Anwaltsgesellschaft Ernst & Young Law. "Es ist ein unglaublicher Regulierungswahnsinn, der da von der EU-Kommission ausgeht." Völlig unstreitig ist, dass die Gemeinden den Breitensport fördern dürfen. Wenn sie dabei aber in potenzielle Konkurrenz zu kommerziellen Anbietern aus dem EU-Ausland geraten, dann ist ein schmaler Grat erreicht. Denn dann kommt der Binnenmarkt ins Spiel.
Beispiel Stadtbad: Der Kämmerer darf Schwimmsport und -unterricht fördern - dann sind im Becken Bahnen für den Schul- und Vereinssport abgetrennt -, nicht aber das angrenzende Wellnessareal. Das muss in den Büchern sehr exakt getrennt werden, damit das öffentliche Geld nicht aus Versehen ins Spaßbad fließt. Gleiches gilt etwa für den Gymnastikkurs der Volkshochschule, der zur Konkurrenz für Fitnessstudios werden kann. "Da wird den Kommunen sehr viel Bürokratie abverlangt", sagt Müller-Kabisch.
Deshalb hoffen nicht nur die Leute vom DAV auf einen Erfolg in Luxemburg, sondern auch die Kommunen. Denn sie sind es, die sich mit dem Beihilferecht herumplagen. Und dessen Schwierigkeitsgrad liegt, in der Sprache der Kletterer, nahe am 11. Grad.