Alleinerziehende:Wer zahlt, wenn keiner Zahlt?

Das eigentlich versprochene Gesetz, das ab dem 1. Januar 2017 auch älteren Trennungskindern einen Unterhaltsvorschuss sichern sollte, wird in diesem Jahr nicht mehr beschlossen.

Von Constanze von Bullion

Alleinerziehenden unter die Arme zu greifen - oder so zu tun, als greife man - das ist in der Politik ein neuer Trendsport. Von der Union bis zur Linken betonen Politiker jetzt andauernd, dass Alleinerziehende viel mehr leisten als andere Eltern und sich allseitiger Solidarität gewiss sein können. Mit der Realität haben solche Sprüche so viel zu tun wie Kaugummi mit gesunder Ernährung. Alleinerziehende interessieren in der Regel keine Seele, bis auf die Alleinerziehenden selbst und versprengte Unterstützerinnen.

Wer das nicht glaubt, möge sich den Zirkus ansehen, den Parteien und Verantwortliche in Bund und Ländern in diesen Tagen beim Thema Unterhaltsvorschuss aufführen. Nein, jetzt nicht gleich wieder aufhören zu lesen, auch wenn das Wort "Unterhaltsvorschuss" so trostlos klingt, wie die Sache ist. Es geht da um rund 840 Millionen Euro, die der Staat jedes Jahr Kindern getrennter Paare vorstrecken muss. Zahlt ein Elternteil keinen oder zu wenig Kindesunterhalt, allermeistens der Vater, springt die Kommune ein. Eigentlich soll sie dem säumigen Zahler dann auf den Pelz rücken und sich den ausstehenden Unterhalt zurückholen. Das gelingt aber bestenfalls in jedem dritten Fall, in manchem Bundesland nur in etwas mehr als jedem zehnten.

Das versprochene Gesetz kommt in diesem Jahr nicht mehr

Weshalb gefragt werden darf, was eigentlich schiefläuft im reichen Deutschland. Fast eine halbe Million Trennungskinder müssen von Unterhaltsvorschuss leben. Weitere Hunderttausende bekommen gar keinen Unterhalt, weder von Eltern noch vom Amt, weil Unterhaltsvorschuss nur bis zum zwölften Geburtstag gewährt wird. Schämen sich Väter eigentlich nicht, die für ihr Kind keinen Cent übrig haben? Und was ist los mit all den Müttern, die ihren Ex-Partnern keine Beine machen, damit sie finanzielle Verantwortung übernehmen?

Eine schlichte Antwort heißt: Zeugen ist leichter als zahlen. Die meisten säumigen Eltern verdienen zu wenig, da ist für Ämter nichts zu holen. Viele Zahlungspflichtige rechnen sich auch arm. Zudem wächst die Zahl der Väter, die ihre Kinder mehr als jedes zweites Wochenende betreuen und nicht einsehen, dennoch Unterhalt zu zahlen. Es folgt die Kannst-mich-Fraktion, die trotz Totalverweigerung nicht vor Gericht landet. Denn viele Mütter fürchten, mit einem Rechtsstreit die Kinder zu belasten. Allen nicht-zahlenden Leider-leider-Eltern aber ist gemein: Sie können sich darauf verlassen, dass der Staat sie unbehelligt lässt. Der schwatzt viel, aber ändert nichts.

Das versprochene Gesetz, das von 1. Januar 2017 an auch älteren Trennungskindern Unterhaltsvorschuss sichern und den Druck auf Nichtzahler erhöhen sollte, kommt dieses Jahr nicht mehr: weil die Länder Kosten und Verwaltungswirrwarr scheuen; weil die Familienministerin das Feld zu spät bestellt hat für ihr Projekt, auch bei den Ministerpräsidenten der SPD; und weil der Finanzminister und seine Unionisten zwar gern von sich sagen, sie unterstützten Alleinerziehende. Aber eben nur, so lange es keinem wehtut. Alleinerziehende erziehen nicht nur allein. Sie sind es.

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