·:Alle Wege führen nach Jerusalem

Die USA werden sich mit Israels neuem Premier Scharon arrangieren und Arafat unter Druck setzten

Wolfgang Koydl

(SZ vom 09.02.2001) - Wenn jemand groß und lautstark daherredet, dann benutzt man im amerikanischen Englisch das plastische Bild vom jawboning: Es heißt nichts anderes, als dass da einer recht bedrohlich mit der Kinnlade wackelt, was zwar gefährlich aussieht, aber keine Konsequenzen nach sich ziehen muss.

So war es auch zu verstehen, als US-Außenminister Colin Powell nach dem Wahlsieg von Ariel Scharon in Israel ein wenig spitz gefragt wurde, ob Washington im Nahen Osten nun nichts anderes übrig bliebe, als weitere Übungen in jawboning.

Ja, meinte Powell, schon richtig. Aber es sei doch nicht das Schlechteste, mit Nachdruck auf Palästinenser und Israelis einzureden. Nur so könne man versuchen, "die Leidenschaften und die Emotionen zu kontrollieren", welche die Region jederzeit detonieren lassen können.

In der Tat: Die Amerikaner können gar nichts anderes tun, als immer wieder zu reden. Sie müssen überzeugen, versprechen, drohen. Und es gibt auch niemand anderen als die Amerikaner, auf den Araber und - in geringerem Maße - Israelis hören.

Denn hinter ihren Worten steht Macht. Die Europäer hingegen können viel erzählen, und schon gar die Russen.

Doch bei ihnen wackeln wirklich nur die Kinnladen; niemand hört zu. Es sind schlichte Wahrheiten wie diese, die deutlich machen, weshalb jede neue US-Regierung früher eher als später ihre volle Aufmerksamkeit dem Nahost-Problem widmen muss.

Hinzu kommen Amerikas strategische und wirtschaftliche Interessen in der Region. Arabiens Ölquellen schmieren noch immer die Räder der Weltwirtschaft, und Länder wie Saudi-Arabien, Ägypten, Israel und Jordanien sind noch immer die mit Abstand besten Kunden der US-Rüstungsindustrie.

Vor diesem Hintergrund kann man getrost davon ausgehen, dass die Regierung von George Bush ein noch stärkeres und, wenn man so will, egoistischeres Interesse am Nahen Osten mitbringen wird als die Mannschaft von Bill Clinton. Denn in Bushs Kabinett geben maßgeblich Wirtschaftsvertreter den Ton an, wobei beispielsweise Vizepräsident Dick Cheney die Erdölbranche und Verteidigungsminister Donald Rumsfeld die Rüstungsschmieden vertritt.

Unter diesen Umständen ist allerdings auch zu erwarten, dass Washington die Aufgabe mit weniger Idealismus und mehr Realismus angeht.

Das muss kein Fehler sein. Bei Clinton konnte man erkennen, dass großer persönlicher Einsatz auch nicht zum Ziel führte und manchmal gar den Verdacht nährte, dass der Präsident zwar für den Frieden in Nahost arbeitete, gleichzeitig aber an seinem Bild feilte, mit dem er als Friedensstifter in die Geschichte eingehen wollte.

Sehr nüchtern, gar nicht aufgeregt und mit einem Bild aus der Pokersprache hat das Weiße Haus denn auch auf Scharons Wahlsieg reagiert.

Man werde mit dem Blatt spielen, das man beim Austeilen bekommen habe. In der Tat: Man weiß genau, dass auch Scharon keine Alternative dazu haben wird, einen Ausgleich mit den Palästinensern zu suchen. Sehr viel skeptischer indes werden die Bush-Männer den Palästinenserpräsidenten Jassir Arafat in Augenschein nehmen.

Bei ihm, eher als beim neuen israelischen Ministerpräsidenten, fragt man sich mittlerweile in Washington, ob er den Frieden überhaupt will.

Ehud Barak, Israels gescheiterter Premier, hatte ihm mehr geboten, als er je hätte hoffen dürfen: einen eigenen Staat und die Kontrolle über Teile Jerusalems. Doch die Antwort des Palästinenserführers habe in Zaudern, Zagen und dem stillen Zuspruch für die gewalttätigen Demonstrationen der Intifada II bestanden.

Arafat kann sich also darauf gefasst machen, von Washington mehr unter Druck gesetzt zu werden, als dies in der Vergangenheit der Fall war. Dies dürfte Bush und Powell umso leichter fallen, als sie keinen persönlichen Kontakt zum PLO-Chef aufgebaut haben.

Die Bilder von Clinton, der mit Arafat scherzt, sind unvergessen. Gebracht hat die Tändelei wenig. Bush wird es auf andere Weise versuchen: nüchtern und geschäftsmäßig. Die Akteure: Sie lenken den Nahost-Konflikt Historie: Die Geschichte des Konflikts Diskussionsforum: Wie ist der Konflikt im Nahen Osten zu lösen? Zurück zur Dossier-Startseite Quellen: sueddeutsche.de/dpa/AP/Reuters

--------------------------------------------------------------------------------

© 2001 Süddeutsche Zeitung GmbH / SV online GmbH

WahlergebnisAnalysen aus der SZ

Die KnessetParteien in der KnessetIsrael heute - Daten und FaktenLinkliste

Sie lenken die Nahost-Politik:

bitte wählen ----------------- Jassir Arafat Ariel Scharon Schimon Peres Ehud Barak Benjamin Netanjahu Jitzchak Rabin Hosni Mubarak Bill Clinton

Geschichte des Nahost-Konflikts

bitte wählen ----------- 1948 Die Gründung Israels 1967 Der Sechs-Tage-Krieg 1967-93 Die Besatzungszeit 1993-2000 Der Friedensprozess Die aktuelle Entwicklung

Der Konflikt (Flash-Animation)

Wie ist der Konflikt im Nahen Osten zu lösen?

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: