Alkoholkonsum:Uber-voll

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Sobald Fahrtenvermittler in einer Stadt ihre Dienste anbieten, betrinken sich Menschen häufiger und heftiger.

Von Jürgen Schmieder

Man kann es für eine brillante und für eine lebensrettende Errungenschaft halten: Am Ende eines zünftigen Abends das Handy zücken und mit ein paar Wischs den persönlichen Chauffeur von einem Fahrdienstvermittler wie Uber oder Lyft ordern. Einfach, schnell. Das erscheint auch in alkoholisch benebeltem Zustand zumutbar. Anders offenbar als der Marsch zur U-Bahn-Station oder die nervige Suche nach einem Taxi. Weshalb ja doch immer noch viel zu viele betrunken in das eigene Auto steigen - und damit die komplizierteste und natürlich gefährlichste Variante der Heimreise wählen.

Kein Wunder also, dass Uber genauso wie Lyft sein Angebot in den USA recht offensiv mit Studien bewirbt, denen zufolge alkoholbedingte Unfälle in Städten, in denen Fahrdienstvermittler aktiv sind, teils drastisch zurückgegangen sind - in New York zum Beispiel um mehr als 30 Prozent.

Das ist schön, führt aber gleich zu einer anderen, nicht weniger interessanten Frage: Saufen die Leute nun eigentlich häufiger und mehr, weil sie wissen, dass sie jederzeit einen kostengünstigen Fahrer bestellen können?

Wissenschaftler der US-Universitäten Louisiana und Georgia State haben eine Antwort: Ja, das tun die Leute. In Städten mit unzuverlässigen öffentlichen Verkehrsmitteln sogar sehr viel häufiger und sehr viel mehr. Sie sorgen für mehr Umsatz in der Gastronomie (2,5 Prozent) und damit auch für Arbeitsplätze.

Was für eine Marketing-Steilvorlage für Fahrdienstvermittler. Gäbe es da nicht den zweiten Teil der Studie, demzufolge es auch deutlich mehr Leute gibt, die im Wissen um einen Chauffeur unfassbar viel trinken, was bekanntermaßen zu kurz- und langfristigen Schäden führen kann.

In konkreten Zahlen, bei denen die Wissenschaftler die Daten von Uber, der Bundesbehörde Centers for Disease Control and Prevention (CDC) und des Wirtschaftsministeriums in Relation zueinander gesetzt und mit Städten ohne Fahrdienste verglichen haben: Die Anzahl der Tage, an denen Leute Alkohol trinken, sowie die konsumierte Menge sind um jeweils durchschnittlich drei Prozent gestiegen. "Das wirklich Interessante aber ist der Umgang von Uber mit dem Thema", sagt Studienleiter Connor Lennon: "Sie sind gegen Alkohol am Steuer und bieten Betrunkenen auch mal Freifahrten an - aber dann rühmen sie sich damit, dass bei ihnen am meisten los ist, wenn in den jeweiligen Städten die Bars zumachen."

Die auffälligen Zahlen dieser Studie haben mit dem sogenannten Komasaufen zu tun: Heftiges Trinken ist in Städten mit Fahrdienstvermittlern durchschnittlich um neun Prozent angestiegen, an Orten mit unzureichendem öffentlichen Verkehrsnetz gar um 21,8 Prozent.

Der Rückgang von Krankenwageneinsätzen um etwa 6,7 Prozent bedeute allerdings nicht, dass weniger Leute ins Krankenhaus kämen. Vielmehr verzichten offenbar viele Verletzte auf das in den USA womöglich teure Rettungsfahrzeug. Stattdessen lassen sie sich nun per Uber-Chauffeur ins Krankenhaus transportieren.

© SZ vom 04.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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