Nordafrika:Ein Mann des Übergangs, der in die Vergangenheit führt

Lesezeit: 3 Min.

Wahlplakate für Abdelmadjid Tebboune im Zentrum der Hauptstadt Algier. (Foto: -/AFP)

Im ziemlich isolierten Algerien steht die Wiederwahl des autoritären Präsidenten Abdelmadjid Tebboune an diesem Samstag bereits fest. Auch wenn die Menschen wenig Besserung von ihm erwarten.

Von Bernd Dörries, Kairo

Eigentlich sollte Algeriens Präsident Abdelmadjid Tebboune erst Ende des Jahres zur Wiederwahl stehen, doch im Juli dieses Jahres kündigte er an, den Urnengang auf den 7. September vorzuziehen, aus nicht näher beschriebenen „technischen Gründen“. Wahrscheinlich meinte er eher die Sommerhitze, die zur Verlegung führte, denn die Opposition hatte es bei der Wärme in den vergangenen Wochen schwer, ihre Kundgebungen zu füllen, das halbe Land war im Urlaub.

Und selbst für die, die daheim waren, war der Wahlkampf eine recht einseitige Sache. Amtsinhaber Tebboune dominierte in den Medien und den wenigen Veranstaltungen, die es überhaupt gibt. Etwa dreißig Gegenkandidaten wollten ursprünglich antreten, nur zwei wurden überhaupt zugelassen. Die anderen wurden teils wegen angeblicher Fälschung von Wahlunterlagen angezeigt. Die wenigen Journalisten, die sich noch trauen, kritisch zu berichten, werden eingeschüchtert.

Die Verkäufe von Öl und Gas nahmen zu mit dem Ukraine-Krieg, die Wirtschaft darbt trotzdem

Am Sieg von Tebboune bestehen daher wenig Zweifel, es geht nur noch um die Höhe, bei den vergangenen Wahlen erreichte er 58 Prozent, bei allerdings nur 39,9 Prozent Beteiligung. Was bedeutet, dass nur etwa ein Viertel aller Wahlberechtigten für ihn gestimmt haben. Erstaunlich wenig für einen autoritären Präsidenten, der die Macht des ganzen Systems hinter sich hat.

Dieses Mal müssen es mehr Stimmen sein, auch Herrscher wie Tebboune brauchen eine Art Legitimation. Auch wenn diese nicht nur von der Urne kommt, braucht er zumindest eine Erzählung, dass sich durch ihn alles zum Besseren gewendet hat. Ob die Algerier das auch so sehen, ist eine andere Frage.

Vor fünf Jahren gingen sie massenhaft auf die Straßen, um gegen eine weitere Amtszeit von Abdelaziz Bouteflika zu protestieren, der Algerien zwei Jahrzehnte lang regiert hatte. Es entstand eine Massenbewegung, die sich gegen das Geflecht von Militär und politischer Elite wandte, das Algerien seit der Unabhängigkeit 1962 dominiert. Es folgten einige Zugeständnisse, der neu gewählte Präsident Tebboune nannte sich selbst einen Mann des Übergangs. Der führte aber zurück in die Vergangenheit, die Corona-Pandemie nutzte die Regierung, um die letzten Reste der Protestbewegung von 2019 zu verbieten. Auch der Ukraine-Krieg, der zweite große Einschnitt nach Corona, war für Algerien und seine autoritäre Regierung eher von Vorteil. Er bot einen Weg aus der Isolation, und durch die hohe Nachfrage nach Gas und Öl sprudelten die Einnahmen.

„Wie kann man von den Algeriern erwarten, dass sie sich für die Wahlen interessieren, wenn das Leben jeden Tag die Hölle ist?“, sagt ein Schuldirektor. Frauen auf den Straßen von Algier. (Foto: -/AFP)

Algerien ist das flächenmäßig größte Land Afrikas, es war einst ein Zentrum der antikolonialen Bewegung und der blockfreien Staaten, hat sich aber in den vergangenen Jahrzehnten zunehmend isoliert. Zum einen durch ein Jahrzehnt des Bürgerkrieges, der 2002 endete und das Land nach innen blicken ließ. Zum anderen, weil Algerien als eines der wenigen Länder weiter die Autonomie der Westsahara unterstützt, die vom Nachbarn Marokko beansprucht wird.

Dort entstand in den vergangenen Jahren eine beachtliche Autoindustrie, mit Produktionsstätten von Renault und Peugeot, es gibt Hochgeschwindigkeitsstrecken und eine große Tourismusindustrie. Algerien selbst hat nichts Vergleichbares zu bieten, die Wirtschaft kämpft immer noch mit den Folgen jahrzehntelanger Planwirtschaft. Öl und Gas dominieren, die Einnahmen machen etwa ein Drittel des Bruttosozialproduktes aus.

Nachdem wegen des Ukrainekriegs kein oder kaum noch russisches Gas und Öl mehr nach Europa kommen, stiegen die Preise, und die halbe EU reiste nach Algerien, um sich die Liefermengen zu sichern. Das spülte einerseits Geld in die Kassen und gestattete Tebboune, den arbeitslosen Jugendlichen finanzielle Unterstützung zu zahlen. Auch für das Militär, der entscheidenden Macht im Hintergrund, blieb genug übrig, das Budget soll sich seit 2020 auf 20 Milliarden Euro verdoppelt haben.

Die zunehmende Bedeutung des Öls half Algerien auch ein wenig aus der Isolation, vor wenigen Tagen wurde das Land in die Brics-Bank aufgenommen, das Finanzinstitut des Blocks, dem auch Indien, China, Russland, Brasilien und Südafrika angehören. Den meisten Algeriern war das egal, sie leiden unter den ständig steigenden Preisen für Lebensmittel. „Wie kann man von den Algeriern erwarten, dass sie sich für die Wahlen interessieren, wenn das Leben jeden Tag die Hölle ist?“, sagte der Schuldirektor Noureddine Benchikh der Nachrichtenagentur Associated Press.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusEnergiewende
:Skandal im Sperrgebiet

In Berlin ruhen viele Hoffnungen auf Namibia: Von hier sollen bald große Mengen grünen Wasserstoffs kommen. Doch Gegner des Projekts werfen den Deutschen Kolonialismus vor – und die Zerstörung der Umwelt.

Von Michael Bauchmüller, Paul Munzinger

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: