Algerien:Steigende Nervosität

In Berlin sollte man sich selbstkritisch fragen, warum Deutschland Polizeiausrüstung nach Alge­rien liefert.

Von Paul-Anton Krüger

Das algerische Regime versucht, sich mit üblen Tricks aus dem Handbuch der Autokraten an der Macht zu halten. Erst bot der schwer kranke Präsident Abdelaziz Bouteflika an, er werde ein Jahr nach einer Wiederwahl abtreten. Dann zog er seine Kandidatur zurück, nicht ohne seine Amtszeit auf unbestimmte Zeit zu verlängern. Nun wollen das Militär und die regierende Nationale Befreiungsfront den 82-Jährigen absetzen, den sie bis zuletzt gestützt hatten.

Es ist sehr gut nachvollziehbar, dass nichts davon verfängt, dass jeden Freitag mehr Algerier auf die Straßen strömen in der Hauptstadt ebenso wie in fast allen Provinzen. Zu Recht wollen sich die Menschen mit Rochaden im undurchsichtigen Machtapparat nicht abfinden. Zu Recht fordert die junge Bevölkerung echte Reformen, Demokratie, ein Ende von Korruption und Kleptokratie. Ihr Aufbegehren erinnert an den beeindruckenden Ruf nach Würde, der 2011 im Arabischen Frühling durch die Region hallte.

Die Proteste sind friedlich, aber die Nervosität steigt. Noch bleibt die Armee in den Kasernen, aber die Polizei setzt Tränengas, Gummigeschosse und Wasserwerfer ein. In Berlin sollte man sich bald selbstkritisch fragen, warum Deutschland Polizeiausrüstung nach Algerien liefert oder dort Fuchs-Panzer in Lizenz produzieren lässt.

© SZ vom 01.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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