Algerien:Ein Frühling, ja. Aber...

... einen Aufstand gibt es noch nicht, auch wenn die Wut wächst.

Von Tomas Avenarius

Falls es so einfach wäre, wie die Slogans glauben machen, wäre Algerien auf gutem Weg. "Kein fünftes Mandat" und "Ein unabhängiges Volk will nicht länger einen abhängigen Präsidenten" - mit solchen Forderungen demonstrieren vor allem junge Algerier gegen eine fünfte Amtszeit ihres Staatschefs. Abdelaziz Bouteflika ist 82, befindet sich abwechselnd im Klinikbett oder im Rollstuhl, er kann kaum noch sprechen, geschweige denn Wahlkampfreden halten. Der Präsident nimmt vom politischen Leben bestenfalls Bruchteile wahr und erscheint seinem 40-Millionen-Volk zu Recht als Marionette mächtiger Militärs, Geheimdienstler und Oligarchen.

Die landesweiten Demonstrationen mögen immer größer werden, aber noch ist das kein Aufstand. Denn wer in Algerien Aufstand sagt, denkt den Bürgerkrieg der Neunzigerjahre mit, Zehntausende starben. Vorausgegangen waren Reformaufrufe, ein Urnengang mit den falschen Siegern und ein Militär, das den Wahlerfolg der Islamisten kurzerhand kassierte.

Wie es weitergeht, ist offen. Der Arabische Frühling hat gezeigt, dass sich Entwicklungen nicht voraussagen lassen in autoritären, vom Militär gesteuerten Regimen. Ohne Zweifel steht Algerien am Wendepunkt. Aber wohin die Menschen und ihr Regime sich bewegen, lässt sich nicht absehen.

© SZ vom 11.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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