Süddeutsche Zeitung

Alexander Van der Bellen:Österreichs Präsident vor unangenehmer Aufgabe

Die Grünen flogen bei der Wahl aus dem Parlament, aber Ex-Parteichef Van der Bellen fungiert als Präsident - und könnte bald Straches FPÖ in die Regierung holen.

Von Peter Münch, Wien

Ganz Wien fragt: Wer mit wem? Seit dem Wahlsonntag wird wild spekuliert über die künftige Koalition. Gehandelt wird in Farben, es geht um Schwarz/Türkis, um Blau und Rot.

Doch mittendrin, da steht einer Grüner: Alexander Van der Bellen, der seit Januar amtierende österreichische Bundespräsident. Zwar beschränken sich seine Aufgaben gemeinhin wie in Deutschland eher aufs Repräsentieren. Aber wenn es um Wahlen und die darauf folgenden Weichenstellungen geht, gewährt ihm die Verfassung eine Schlüsselposition.

Denn der Präsident muss nicht nur den Auftrag zur Regierungsbildung erteilen, sondern danach auch den Kanzler und jeden einzelnen Minister akzeptieren. Ablehnen kann er das Regierungspersonal auch - und das erhöht die Spannung.

Mit den Matadoren aus dem rechten Lager, die mit Anti-Flüchtlings-Populismus bei dieser Wahl gepunktet haben, verbindet den bedächtigen 73-Jährigen biografisch und inhaltlich herzlich wenig.

Als er mit 50 Jahren als Parlamentsabgeordneter für die Grünen sein erstes politisches Amt übernahm, hatte er schon eine lange akademische Karriere als Professor für Volkswirtschaft hinter sich. Der ÖVP-Wahlsieger Sebastian Kurz ging da noch in die Grundschule, FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache war gerade vom mitlaufenden Wehrsportler zum selbständigen Zahntechniker gereift.

Den professoralen Ton hat Van der Bellen auch in der Politik nie abgelegt. Sachlich, nonchalant und mit feinem Humor versieht er seine Ämter. Markenzeichen sind der Stoppelbart und ein ausgeprägter Hang zu Zigaretten.

In seinen Jahren als Parteichef von 1997 bis 2008 hievte er die Grünen auf zweistellige Wahlergebnisse. Ihr jetziger Absturz dürfte ihn schmerzen, und das gewiss nicht nur, weil seine Ehefrau als Geschäftsführerin der abgewählten Grünen-Fraktion ihren Job verliert.

Bisweilen wird er kritisiert, weil er als Präsident doch ziemlich still agiert. Ruckreden sind seine Sache nicht, und selbst wenn er poltert, geht das ohne Worte: Aus dem Wahlkampf ums Präsidentenamt, für das er als unabhängiger Kandidat antrat, ist seine "Scheibenwischer-Geste" in Erinnerung geblieben, mit der er den Gegenkandidaten Norbert Hofer von der FPÖ in einem TV-Duell bedachte.

"Ja, Kruzitürken, wenn mir nichts anderes übrig bleibt"

Den Vormarsch der Rechten aufzuhalten, das war seine Motivation bei der nach hartem und langem Kampf erfolgreichen Präsidentschaftskandidatur. Damals ließ er auch durchblicken, dass er einer FPÖ-Regierung eher nicht sein Plazet geben werde - um dann zurückzurudern mit dem Satz: "Ja, Kruzitürken, wenn mir nichts anderes übrig bleibt."

Wie er heute mit möglichen FPÖ-Ministern umgehen will, hat er offengelassen. Vorgegeben hat er der nun zu bildenden Regierung aber, dass "die europäischen Grundwerte der Kompass für die Zukunft Österreichs bleiben müssen". Die Inhalte und auch die Personen, so hat er angekündigt, werde er "sehr genau prüfen".

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SZ vom 19.10.2017/odg
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