Alexander Schallenberg wird an diesem Freitag zum zweiten Mal Kanzler in Österreich, und zum zweiten Mal wird es bloß für kurze Zeit sein. Bundespräsident Alexander Van der Bellen wird den ÖVP-Politiker bitten, den Vorsitz einer einstweiligen Bundesregierung zu übernehmen – bis es einen neuen Kanzler gibt, der dann vermutlich Herbert Kickl heißen wird. Kickls FPÖ und die ÖVP steigen gerade in Koalitionsverhandlungen ein, nachdem langwierige Gespräche zwischen ÖVP, SPÖ und Neos gescheitert waren. Es wird damit gerechnet, dass sich Freiheitliche und Konservative rasch einigen werden, bevor wieder alles zerredet und die bereits genervte Öffentlichkeit weiter auf die Folter gespannt wird.
Der bisherige Außenminister wurde auserkoren, weil er der dienstälteste Minister ist, und es kommt ihm wohl auch zugute, dass er das Amt bereits kennt: Zuletzt war Schallenberg nach dem Rücktritt von Sebastian Kurz Ende 2021 für sechs Wochen Bundeskanzler gewesen. Diesmal braucht Österreich den Kurzzeit-Kanzler Schallenberg, weil Karl Nehammer am Freitag zurücktreten wird, nachdem seine geplante „Zuckerlkoalition“ mit Sozialdemokraten und liberalen Neos nicht zustande gekommen war.
Die Russlandfreunde von der FPÖ finden sowieso, er sei zu sehr nach Westen orientiert
Schallenberg, 55, wird einer neuen Regierung wahrscheinlich nicht mehr angehören. Seine Sprecherin hatte zu Wochenanfang noch einmal bekräftigt, dass er unter einem Kanzler Kickl nicht bereit sei, sein Amt als Außenminister weiter auszuüben. Ihr Chef hatte schon im Mai 2023 in einem Interview betont, dass er sich eine Regierung unter Kickls Führung nicht vorstellen könne – und der Außenminister dann „gewiss nicht Schallenberg heißen würde“.
FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker antwortete damals mit einem arg bemühten Wortspiel: In einer Bundesregierung, die ein „Volkskanzler Kickl“ anführe, werde kein Platz sein für einen Außenminister, für den die Neutralität Österreichs nur „Schall und Rauch“ sei. Mit anderen Worten: Schallenberg sei zu sehr nach Westen orientiert, zumindest für die Russlandfreunde der FPÖ. Mit den Freiheitlichen fremdelt Schallenberg wohl auch deswegen, weil sie so anders sind als er, was Umgangsformen und Auftreten anbelangt.
Alexander Georg Nicolas Schallenberg, schwarze Hornbrille, nach hinten gegelte Haare und Vollbart, entstammt einem alten österreichischen Adelsgeschlecht und kam in Bern zur Welt; seine Mutter ist Schweizerin, sein Vater war Botschafter, weshalb der Junge in Indien, Spanien und Paris aufgewachsen ist.
Nach seinem Jura-Studium arbeitete Schallenberg im Außenministerium in Wien. Von 2000 bis 2005 leitete er die Rechtsabteilung der Ständigen Vertretung Österreichs in Brüssel. Seither heißt es in den Porträts, die über ihn geschrieben werden, der vierfache Familienvater sei „international gut vernetzt“ und „ein Europäer durch und durch“. Selten fehlt auch der Titel „Karrierediplomat“ und der Hinweis, er sei umgänglich, leutselig und habe ein gutes Verhältnis zu Journalisten. Aus deren Reihen hört man auch, Schallenberg sei durchaus trinkfest.
In Wien heißt es, Schallenberg sei ein Freund, ein enger Vertrauter oder gar eine Marionette von Ex-Kanzler Kurz
2006 kehrte Schallenberg nach Wien zurück und arbeitete für diverse ÖVP-Außenminister, zunächst als Pressesprecher, von 2013 an als Leiter der Stabsstelle für strategische außenpolitische Planung. Sein Chef damals: der gerade erst 27 Jahre alte Außenminister Sebastian Kurz. Seither wird wahlweise davon gesprochen, Schallenberg sei ein Freund, ein enger Vertrauter oder gar eine Marionette von Kurz, was wohl etwas zu weit geht, weil er angeblich nie zu den eingefleischten Kurz-Jungs zählte. Dessen Kurs, die ÖVP nach rechts zu rücken, trug Schallenberg jedoch mit. In der Migrationsfrage, sagte er einmal in einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin Profil, sei er ein „Überzeugungstäter“, was man – unabhängig von seiner inhaltlichen Stoßrichtung – zumindest als unangemessene Wortwahl bezeichnen kann. 2019 wurde Schallenberg selbst Außenminister.
2021 stürzte Kurz dann über die sogenannte Korruptions- oder Inseratenaffäre und trat zurück. Schallenberg kannte zwar die handelnden Personen sehr gut, hatte mit der Affäre aber wohl nichts zu tun und wurde im Oktober Kanzler. Dass er Kurz quasi in vorauseilendem Gehorsam in Schutz nahm und die Anschuldigungen gegen den Parteifreund rundheraus als „falsch“ bezeichnete, brachte ihm Kritik ein. In den Leserkommentaren wurde er sofort wieder als „Kurz’ Knecht“ bezeichnet oder auch als „Handschellenberg“.
Anfang Dezember 2021, als sich sein Mentor Kurz ganz aus der Politik zurückzog, übergab Schallenberg an Karl Nehammer und kehrte in sein Amt als Außenminister zurück. Zuletzt verhandelte er in den Koalitionsgesprächen mit SPÖ und Neos die außenpolitischen Kapitel. Das wird er in den Verhandlungen mit der FPÖ vermutlich nicht mehr tun.