Süddeutsche Zeitung

Albanische Sprache:Eine feministische Linguistik fehlt

Von Enver Robelli

Kürzlich im kosovarischen Parlament. Der älteste Parlamentarier, er hat jahrelang in der Schweiz gelebt, eröffnet die Sitzung mit folgenden Worten: "Të nderuara deputete, të nderuar deputetë". Geehrte Parlamentarierinnen, geehrte Parlamentarier. So geht gendern auf Albanisch, vorläufig. Fast 40 Prozent der Parlamentsmitglieder sind Frauen. Dass diese Tatsache sich auch in der Sprache niederschlägt, ist naheliegend. Ansonsten? Den Gender-Stern oder das Binnen-I lässt die Sprachstruktur in den meisten Fällen nicht oder nur erschwert zu, weil zum Beispiel ein Adjektiv auch im Plural als männlich oder weiblich markiert wird. Das ist so, wie wenn man im Deutschen bei "gute Lehrerinnen" auch das "gute" nach weiblich oder männlich unterscheiden müsste. Zudem zeigen Artikel den Genus an. Wissenschaftliche Diskussionen finden nicht statt, auch weil eine feministische Linguistik fehlt. Trotzdem fordern junge Feministinnen in Pristina eine Debatte über eine gendergerechte Sprache.

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SZ vom 12.05.2021
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