Albanien und Griechenland:Klempner, Politiker, Spaltpilz

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Verurteilt, weil er Wählerstimmen gekauft haben soll: Fredis Beleris, Angehöriger der griechischen Minderheit in Albanien. (Foto: Dimitris Papamitsos/AP)

Ein in Griechenland gewählter Europaabgeordneter muss in Albanien in Haft bleiben. Der Fall belastet die Beziehungen zwischen den beiden südlichen Balkanländern schwer.

Von Tobias Zick

Wenn sich Mitte Juli die Abgeordneten des neu gewählten Europaparlaments zu ihrer ersten Sitzung in Straßburg treffen, wird mindestens ein Stuhl leer bleiben: der von Dionysios Fredis Beleris, gewählter Abgeordneter der griechischen Regierungspartei Nea Dimokratia (ND). Es ist bereits das zweite politische Amt, das der Mann nach einer Wahl nicht antreten kann, denn er sitzt seit Mai 2023 in Albanien im Gefängnis.

Die Geschichte von Dionysios Fredis Beleris ist komplex, und in dieser Geschichte spiegelt sich die konfliktreiche Beziehung zwischen den beiden Nachbarländern auf der südlichen Balkanhalbinsel. Spätestens seit der Europawahl im Mai dieses Jahres ist sie auch ein gesamteuropäisches Politikum, dabei reichen ihre Anfänge Jahrzehnte zurück.

Beleris ist Angehöriger der griechischen Minderheit im Süden Albaniens, in einer orthodox geprägten Region, die von Griechen Nord-Epiros genannt wird. Sein offizieller Name in Albanien ist Fredi Beleri. Wie er selbst erklärt, durften seine Eltern ihm seinerzeit unter dem Regime des kommunistischen Diktators Enver Hoxkha keinen griechischen Namen geben. Nach dem Zusammenbruch dieses Regimes Anfang der 1990er-Jahre zog er nach Griechenland, wo er sich auf den Namen Dionysios taufen ließ. Und sich neben seiner Arbeit als Klempner und einem Politik-Studium mehr als nur intellektuell für die Angelegenheiten der bis dahin lange unterdrückten griechischen Minderheit in Albanien einsetzte. Im März 1995 verhafteten ihn griechische Beamte an der Grenze zu Albanien zusammen mit sechs anderen Männern; in ihren beiden Autos führte die Gruppe unter anderem mehrere Kalaschnikow-Gewehre, Funkgeräte und Tarnanzüge mit. Ein Gericht in Athen verurteilte die Männer wegen illegalen Waffenbesitzes zu Gefängnisstrafen zwischen 18 und 20 Monaten.

Die Vorwürfe seien politisch motiviert, sagt der Verurteilte

2014 schließlich kehrte er nach Albanien zurück, in die Kleinstadt Himarë, die wie weite Teile der südlichen Küste des Landes mit schönen Stränden gesegnet ist. Im Mai 2023 kandidierte er für die Wahl zum Bürgermeister, zwei Tage vor dem Urnengang verhaftete ihn die Polizei, weil er Wählerstimmen gekauft haben soll. Die Wahl gewann er trotzdem, aber das Amt des Bürgermeisters von Himarë konnte er nie antreten. Ein Gericht verurteilte ihn zu zwei Jahren Haft.

Griechenlands Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis zufolge hat der Fall Beleri „große Spannungen in den griechisch-albanischen Beziehungen“ verursacht; es handle sich keineswegs nur um eine bilaterale, sondern um eine europäische Angelegenheit. Es gehe um die Rechtsstaatlichkeit in Albanien, einem EU-Beitrittskandidaten, „darum, wie Albanien mit Minderheiten umgeht und wie Albaniens Justiz arbeitet“. Der inhaftierte Beleri selbst sieht sich ebenfalls als Teil von etwas Größerem: nämlich einem „Kampf für die Werte, für die der Westen und Europa stehen und die von denjenigen geachtet werden müssen, die sich der großen europäischen Familie anschließen wollen“. Die Vorwürfe gegen ihn seien unhaltbar und politisch motiviert; die Justiz sei von der Regierung in Tirana beeinflusst, die in und um Himarë große Tourismus-Projekte plane und dabei über die Belange der griechischstämmigen Bevölkerung hinweggehe.

Griechische Politiker drohen Albanien mit Gegenmaßnahmen

Edi Rama, der Ministerpräsident Albaniens, bekräftigt dagegen die Unabhängigkeit der Justiz seines Landes. In einem Interview mit der griechischen Zeitung Kathimerini im August vergangenen Jahres sagte er, Beleri müsse sich „vor dem Gesetz verantworten wie jeder Bürger der Republik Albanien“. Dann pries Rama die griechische Minderheit in seinem Land als einen „Schatz für unsere Kultur des Zusammenlebens“ und als eine „unersetzliche Brücke“, um die Freundschaft zwischen den beiden Völkern und seinen Regierungen „zu nähren und zu kräftigen“.

Bislang allerdings verschärfen sich am Fall Beleri eher die Spannungen zwischen den beiden Ländern. Als die griechische ND dieses Jahr den Inhaftierten als Kandidaten für die Europawahl aufstellte, wuchs auch im eigenen Land die Kritik: Mitsotakis wolle damit offenkundig am rechten Rand des Wählerspektrums punkten, hieß es. Was auch immer das Kalkül des Premiers war: Unter den Kandidaten seiner Partei erzielte Beleri die viertmeisten Stimmen, nämlich 237 925. Griechenlands Außenminister Giorgos Gerapetretis verschärfte daraufhin abermals den Ton: „Albanien will Teil der europäischen Familie sein“, sagte er in einem Radiointerview: „Es muss auch europäische Regeln befolgen.“ Schon zuvor hatten Mitglieder der Athener Regierung mehr oder minder offen damit gedroht, den EU-Beitrittsprozess Albaniens zu blockieren – so, wie sie es auch im Fall eines anderen Nachbarlands, Nordmazedonien, gemacht hatte.

Vergangene Woche hat ein Berufungsgericht in Albanien das Urteil gegen Beleri bestätigt, er muss also seine zweijährige Haftstrafe vollständig absitzen und kann erst danach seinen Sitz im Straßburger Parlament einnehmen. Zudem wird erwartet, dass die albanische Wahlkommission das Bürgermeisteramt von Himarë für unbesetzt erklärt. Der kleinen Küstenstadt am Ionischen Meer dürften bald Neuwahlen bevorstehen.

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