Normalerweise ist Alaska ein Ort, an dem Besucher Wale, Bären und Elche beobachten können, dazu fantastische arktische Landschaften. Am Freitag wurde der nördlichste US-Bundesstaat allerdings zu einer Bühne für Weltpolitik: Auf der Joint Base Elmendorf-Richardson, einem Militärstützpunkt in Anchorage, trafen sich der amerikanische Präsident Donald Trump und der russische Machthaber Wladimir Putin, um über den Krieg – und einen möglichen Frieden – in der Ukraine zu reden.
Das Auftaktgespräch zwischen Trump und Putin begann am Freitagabend gegen 21.30 Uhr deutscher Zeit. Zwar wurde der Zweier-Gipfel von den USA in letzter Minute überraschend erweitert – statt wie zunächst angekündigt nur die beiden Staatschefs nahmen jeweils drei Politiker teil, auf amerikanischer Seite außer Trump auch Außenminister Marco Rubio und Berater Steve Witkoff, neben Putin saß dessen Außenminister Sergej Lawrow und sein Berater Juri Uschakow. Allerdings begrüßte Trump seinen Gast nach der Ankunft auf einem roten Teppich, er beklatschte den wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen angeklagten Putin sogar, dann fuhren sie gemeinsam in der Limousine des US-Präsidenten und wechselten erste Worte. Empfangen wurde Putin außerdem von US-Kampfflugzeugen. Vor dem abgeriegelten Gelände und im Zentrum von Anchorage demonstrierten Gegner dieser Begegnung mit Flaggen und Plakaten für die angegriffene Ukraine.
Später war ein gemeinsames Essen von Trump und Putin geplant, gefolgt von einer weiteren Begegnung, an der dann auch andere Minister und Berater beider Delegationen teilnehmen sollten. Eine Pressekonferenz zur Verkündung etwaiger Ergebnisse wurde erst für den frühen Samstagmorgen mitteleuropäischer Zeit erwartet, doch Trump gab im Flugzeug bekannt, dass er nicht zufrieden wäre, wenn das Treffen ohne Waffenstillstand enden würde.
Trumps Ukraine-Politik war bisher erratisch
Mit dem Gipfel waren höchst unterschiedliche Interessen und Befürchtungen verknüpft. Das galt für Trump wie auch für Putin. Es galt aber genauso für die Parteien, die in Anchorage nicht mit am Tisch saßen, für deren sicherheitspolitische Zukunft das Treffen jedoch entscheidend, wenn nicht gar existenziell war: die Europäer, vor allem aber die Ukraine.
Trump verfolgt in erster Linie ein Ziel: Er will, dass die Waffen in der Ukraine schweigen. Allerdings hat er bisher keinen Weg gefunden, um einen Waffenstillstand oder gar ein dauerhaftes Friedensabkommen zu erreichen. Und der US-Präsident konnte sich bisher auch nicht entscheiden, wem er an dem fortgesetzten Töten und Sterben die Schuld geben will: dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij, dem Trump – entgegen jedweder Realität – immer wieder Kriegstreiberei vorwirft, oder Putin, der die Ukraine überfallen hat und dort Raketen und Drohnen auf Wohn- und Krankenhäuser regnen lässt.
Entsprechend erratisch war in den vergangenen Monaten Trumps Ukraine-Politik. Mal kritisierte er Selenskij und lobte Putin, mal andersherum. Mal tat der US-Präsident so, als werde er bei dem Treffen mit dem russischen Machthaber in Alaska alles regeln, mal hieß es aus Washington, Trump wolle nur persönlich ausloten, ob Putin zum Frieden bereit sei. Am Mittwoch drohte Trump Putin mit „sehr schweren Konsequenzen“, sollte der Russe bei dem Gespräch in Anchorage keinen Willen zum Frieden zeigen. Am Donnerstag verkündete er dann, dass das Treffen in Alaska zwar gut sei, aber ein mögliches nächstes Treffen – das bisher nicht terminiert ist – noch wichtiger werde, weil dann auch Selenskij dabei sein solle.
Die Präsidenten zweier Großmächte treffen sich – darum geht es Putin
Putins Interesse an dem Treffen mit Trump liegt ebenfalls auf der Hand, und es unterschied sich deutlich von dem des Amerikaners. Denn der Moskauer Machthaber will kein Abkommen, das den Krieg beendet, er braucht keinen „Deal“ mit Trump. Das hat der Kreml immer deutlich gemacht. Im Gegenteil: Die Ukraine war aus russischer Sicht fast eine Nebensache dieses Gipfels.
Entscheidender ist für Putin, dass sich in Alaska – das bis zum Verkauf an die USA im Jahr 1867 zum Zarenreich gehörte – die Präsidenten zweier Groß- und Atommächte treffen, um über die Neuordnung der Sicherheitslage in Europa und auf der Welt zu reden. Schon in den vergangenen Monaten hatte der Kreml nach jedem Telefongespräch zwischen Trump und Putin Themen aufgelistet, bei denen Russland und die USA zusammenarbeiten könnten: im Nahen Osten, bei Irans Atomprogramm, bei der globalen Sicherheit und der nuklearen Rüstungskontrolle, bei der Förderung Seltener Erden.
Putin will es ganz offensichtlich so darstellen, als pflege er schon jetzt normale Beziehungen zu Trump – trotz seines brutalen Kriegs in der Ukraine. Das Treffen in Anchorage war Teil dieser Inszenierung.
Die Europäer und die Ukraine waren dagegen zu Zuschauern degradiert – es wurde über sie geredet, aber nicht mit ihnen. Zusammen mit Bundeskanzler Friedrich Merz und anderen europäischen Staats- und Regierungschefs hatte sich Selenskij in den Tagen zuvor noch bemüht, Trump vor Putins Manipulationskünsten zu warnen. Die Europäer hatten dem US-Präsidenten in einer Videokonferenz am Mittwoch einzuimpfen versucht, dass er sich bloß nicht zu einem Deal zulasten der Ukraine überreden lassen dürfe – sprich: zu einer Vereinbarung, die Kiew zwingt, eroberte Gebiete an Russland abzutreten, und welche die Ukraine wehrlos, halb besetzt und unsouverän zurücklässt.

