Süddeutsche Zeitung

Somalia:Verpasste Chance

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Weil sich Zentralregierung und Bundesstaaten nicht einigen konnten, ließen sie die Frist für die Wahl verstreichen. Dem von Terrorismus geplagten Land droht nun ein gefährliches Machtvakuum.

Von Anna Reuß, München

Wegen einer Wahlblockade könnte sich die politische Krise im ostafrikanischen Somalia verschärfen. Eigentlich hätten die Menschen am Montag einen neuen Präsidenten wählen sollen. Doch Zentralregierung und Bundesstaaten ließen den angesetzten Wahltermin verstreichen. So lief die Amtszeit von Präsident Mohamed Abdullahi Mohamed, genannt Farmajo, am Montag offiziell ab. Ein Nachfolger wurde allerdings nicht bestimmt. Der UN-Sonderbeauftragte für Somalia, James Swan, hatte vor einer "unvorhersehbaren politischen Situation" gewarnt, sollte die Frist verstreichen.

Das Land gilt als eines der unsichersten der Welt. Auf den Sturz des Diktators Mohamed Siad Barre im Jahr 1991 folgten Kriege zwischen verschiedenen Stämmen. Heute sind die Institutionen innerhalb des instabilen föderalen Staates schwach, dafür haben bewaffnete nichtstaatliche Akteure großen Einfluss. Die in Somalia ansässige extremistische Al-Shabaab-Miliz terrorisiert die Bevölkerung und versucht seit Jahren, die Zentralregierung zu stürzen.

Mohamed war 2017 zum Präsidenten gewählt worden. Nicht nur die Somalier, auch die internationale Gemeinschaft setzte große Hoffnungen in ihn. Er war angetreten, um Streitigkeiten zwischen der Zentralregierung und den Bundesstaaten beizulegen, Korruption einzudämmen und dem Sicherheitsproblem beizukommen. Diese Hoffnungen wurden allerdings enttäuscht: Die al-Qaida nahestehende al-Shabaab verübt praktisch jede Woche Anschläge, auch die politische Zerrissenheit ist nach wie vor ein großes Problem, wie das Ringen um die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen zeigt. Diese waren bereits zweimal verschoben worden.

Am Sonntag wurden zwölf Sicherheitskräfte durch eine Bombe am Straßenrand außerhalb von Dhusamareb getötet. Al-Shabaab war auch für Mörsergranaten-Angriffe auf die Stadt verantwortlich. In der Stadt nördlich der Hauptstadt Mogadischu hatten sich der Präsident und mehrere Anführer der Bundesstaaten am Wochenende getroffen, um über einen Ausweg aus der Wahlkrise zu verhandeln. Die Miliz hatte erst Anfang des Monats einen Anschlag auf das Hotel "Afrik" in der Hauptstadt Mogadischu verübt.

Die Opposition wirft dem Präsident Verzögerungstaktik vor

Somalias indirektes Wahlsystem dürfte einer der Gründe gewesen sein, wieso die Gespräche ins Leere liefen. Die somalischen Stammesführer nominieren rund 30 000 Delegierte, die wiederum über Wahlleute die 275 Abgeordneten wählen. Diese stimmen, genau wie die 54 Senatoren, für einen Präsidentschaftskandidaten. Die Regierung und zwei Bundesstaaten waren sich unter anderem nicht über die Ernennung einiger Delegierter einig geworden.

Präsident Mohamed, der eine zweite Amtszeit von vier Jahren anstrebt, machte am Samstag zudem "ausländische Interventionen" für das Scheitern der Verhandlungen verantwortlich. Seine Kritiker werfen dem Präsidenten hingegen vor, dies sei nur eine Verzögerungstaktik, um sein Mandat zu verlängern. Teile der Opposition weigern sich, ihn als Präsidenten anzuerkennen und drängen stattdessen auf eine Übergangsregierung.

Der UN-Sicherheitsrat forderte die somalische Regierung und die Bundesstaaten am Dienstag auf, die Gespräche dringend wieder aufzunehmen und Vereinbarungen zu treffen, damit so bald wie möglich gewählt werden könne. Sollten sich Regierung und Bundesstaaten nicht einigen, könnte dieses Machtvakuum vor allem al-Shabaab in die Hände spielen.

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