Süddeutsche Zeitung

Al-Qaida-Propaganda:Das Lifestyle-Magazin für Islamisten

Mit einem edel wirkenden Online-Magazin will eine Al-Qaida-Gruppe von der Arabischen Halbinsel ihre Hass-Botschaften in der ganzen englischsprachigen Welt verbreiten. Erklärtes Ziel: Aus Muslimen sollen Glaubenskrieger werden.

Malte Conradi

Die Aufmachung ist edel, die Themen bunt gemischt und auch die Zielgruppe dürfte klar umrissen sein. Die Macher des Online-Magazins Inspire haben aus Marketing-Gesichtspunkten alles richtig gemacht. Ihre Mission: Angst und Terror auf der ganzen Welt. Inspire scheint sich mit der gerade erschienenen dritten Ausgabe immer mehr zum Sprachrohr des Terroristennetzwerks al-Qaida zu etablieren.

Die Verantwortlichen demonstrieren mit Inspire einmal mehr, dass der Kampf gegen den Terrorismus ein Kampf um die Köpfe ist. Denn das Magazin erscheint auf Englisch. Man wolle so "die vielen Millionen Muslime" in Europa, den USA, Asien und Afrika erreichen, die des Arabischen nicht mächtig sind, schreibt ein anonymer Herausgeber in der ersten Ausgabe, die im Juli auf verschiedenen Seiten im Internet auftauchte. Ziel sei es, "Muslime zu Mudschaheddin zu machen".

Das betont moderne Aussehen, die einfachen Antworten auf die Ungerechtigkeiten der Welt, die Mischung aus religiöser Festigung, Abenteuergeschichten und genauen Anleitungen zum Heiligen Krieg zeigen, dass mit Inspire nicht bereits überzeugte Terroristen angesprochen werden sollen. Die Zielgruppe sind junge, unentschlossene Islamismus-Sympathisanten.

Osama bin Laden als Star-Autor

Wie jung die anvisierten Leser sind, zeigt die Überschrift einer mehrseitigen Anleitung zum Bombenbau in der ersten Ausgabe: "Wie du eine Bombe in Mamas Küche basteln kannst", lautet sie. Mit Fotos illustriert erklären die Autoren Schritt für Schritt und leicht verständlich alle nötigen Schritte bis zur fertigen Rohrbombe. Wie ein Yps-Heft für junge Terroristen scheint Inspire hier. Potentielle Bombenleger sollen nach dem Willen der Macher nicht mehr gezwungen sein, Arabisch zu lernen und zur Ausbildung in Terrorcamps im Nahen Osten zu reisen.

Auch der Text des Star-Autors der ersten Ausgabe richtet sich nicht gerade an profunde Kenner der internationalen Politik: Osama bin Laden verspricht im Titel den "Weg zur Rettung der Welt". Über weite Strecken liest sich der Text der Terror-Ikone dann wie aus einer unverfänglichen linksliberalen Publikation. Von Klimawandel bis Finanzkrise und Welthunger zählt er die Menschheitsprobleme auf und zitiert dabei unbefangen die Nasa und westliche Wissenschaftler.

Bin Ladens Lösungen sind simpel wie erwartbar: Boykott amerikanischer Unternehmen (denn wenn die amerikanischen Fabrikschlote nicht mehr rauchen, geht es dem Klima besser), Hinwendung zu Allah - und, gegen alle, die diesem Weg nicht folgen: Terror. "Das ist für Amerikaner eine besonders einfache Sache", heißt es.

Amerikanische Sicherheitsexperten vermuten die Verantwortlichen hinter Inspire im Jemen. Dortige Al-Qaida-Gruppen würden sich schon seit einiger Zeit um modernere Formen der Terror-Propaganda bemühen. Die Server, auf denen das Material lagert, sollen in Malaysia stehen.

Die gerade erschienene dritte Ausgabe beschäftigt sich intensiv mit den Ende Oktober vereitelten Paketbomben-Anschlägen. Unbekannte hatten ebenfalls im Jemen Sprengstoff in zwei Computerdruckern versteckt. Der Paketdienst UPS wurde beauftragt, die gefährliche Fracht nach Chicago zu befördern. Noch bevor die Bomben in Barack Obamas Heimatstadt eintrafen, schlug der saudi-arabische Geheimdienst Alarm.

Stolz präsentiert Inspire angeblich exklusive Fotos von den präparierten Druckern. "$ 4200" steht auf der Titelseite des Magazins - circa 3000 Euro also soll das Attentat seine Urheber gekostet haben. Dem stünden "etliche Milliarden Dollar" entgegen, die vor allem westliche Staaten nun investieren müssten, um den Frachtverkehr sicherer zu machen. "Das nennen wir Hebelwirkung", heißt es in dem Artikel höhnisch.

"Strategie der tausend Wunden"

Das Kalkül von Inspire: Mit vielen kleineren und billigen Attacken soll auf der ganzen Welt ein Gefühl von Angst und Unsicherheit erzeugt werden. "Die Strategie der tausend Wunden", nennt das der anonyme Autor. Dass die Paketbomben abgefangen wurden und es zu keiner Explosion kam, habe kaum Bedeutung. "Das wäre nur so etwas wie ein Bonus gewesen."

Dieser Aufruf passt zum Strategiewechsel, der sich bei al-Qaida-Gruppen beobachten lässt. In der Vergangenheit hatten sie sich aus Afghanistan und Pakistan auf die Vorbereitung großer und spektakulärer Anschläge konzentriert. Doch nach den Anschlägen von 9/11 haben Staaten weltweit mit viel Geld ihre Sicherheitsvorkehrungen drastisch erhöht. Die Gefahr, entdeckt zu werden, ist bei solch aufwendigen Aktionen also hoch. Doch wie sollen Geheimdienste verhindern, dass etwas passiert, wenn Hunderte selbstgebastelte Bomben mit der Frachtpost verschickt werden? Erneut wird in Inspire behauptet, der Absturz eines UPS-Flugzeugs Anfang September in Dubai gehe auf das Konto von al-Qaida.

Ansonsten bietet auch die dritte Ausgabe einen zynischen Mix aus Themen und Darstellungsformen: Ein Kriegscomic ist darunter, eine professionell anmutende Anleitung zur Nachrichtenverschlüsselung sowie ein Erfahrungsbericht aus einem Terror-Ausbildungslager. Auch bei der Leser-Blatt-Bindung ist Inspire auf der Höhe der Zeit: Die Leser werden aufgerufen, ihre Gedanken, Berichte oder Fotos an die Redaktion zu schicken.

So sehr al-Qaida mit Inspire auch seine Propaganda professionalisiert haben mag, in der neuesten Ausgabe ist den Machern doch ein Fehler unterlaufen. Auf Seite 25 stehen unter der Überschrift "Der Staub wird sich niemals legen" einige Namen: Salman Rushdie ist darunter, die Islam-Kritikerin Ayaan Hirsi Ali, sowie mehrere Redakteure der dänischen Zeitung Jyllands-Posten, die vor fünf Jahren den Streit um Mohammed-Karikaturen ausgelöst hatte. Darunter liegt, dramatisch beleuchtet, eine Pistole - ein eindeutiger Aufruf zum Mord.

Die Waffe jedoch ist eine Magnum Desert Eagle - und wird in Israel hergestellt, dem Hassobjekt aller Islamisten.

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