Al-Qaida im Jemen:Bin Ladens Musterschüler

Der erstarkte Al-Qaida-Zweig im Jemen fordert den Staat heraus. Das Pentagon will in den Antiterrorkampf auf der arabischen Halbinsel investieren. Das Land könnte zur dritten Front für die USA werden.

G. Babayigit

Die zur Binsenwahrheit verkommene Tatsache erfährt in diesen Tagen wieder Bestätigung: Der Terror kennt keine Landesgrenzen.

Al-Qaida im Jemen: Ein jemenitischer Soldat in Wadi Dhar vor einem für das Land charakteristischen Gebäude: Für Sicherheit zu Sorgen, fällt der Regierung vor allem in den ländlichen Regionen schwer.

Ein jemenitischer Soldat in Wadi Dhar vor einem für das Land charakteristischen Gebäude: Für Sicherheit zu Sorgen, fällt der Regierung vor allem in den ländlichen Regionen schwer.

(Foto: Foto: AFP)

Nachdem schnell ermittelt war, dass der 23-jährige Nigerianer Umar Faruk Abdulmutallab, der ein Passagierflugzeug nahe Detroit in die Luft sprengen wollte, im Jemen ausgebildet wurde und dort auch den Sprengstoff erhielt, tritt das Land aus dem Schatten der großen Krisenherde Irak und Afghanistan.

Dabei beschäftigt der Jemen schon seit einiger Zeit die Geheimdienste der Amerikaner. Nur folgerichtig erscheint vor diesem Hintergrund, was die New York Times am Montag berichtet.

Neben den zwei großen Kriegen im Irak und in Afghanistan werden sich die Amerikaner nun an einer dritten Front dem Anti-Terror-Krieg gegen al-Qaida widmen. Das Operationsgebiet: der Jemen.

Der Times zufolge investiert das Pentagon in den nächsten Monaten Millionen Dollar in den Jemen und schickt sein bestes Personal. Die Hilfe für jemenitische Sicherheitskräfte verdoppelt sich: 70 Millionen Dollar sollen in den Aufbau einer schlagkräftigen Anti-Terror-Bekämpfung im Jemen fließen. Die besten CIA-Agenten sollen ihr im Feld errungenes Know-how für die Terror-Abwehr an jemenitische Sondereinheiten weitergeben. Damit das hilflos wirkende Land entschlossener gegen die erstarkende Qaida-Filiale vorgehen kann.

Zahlreiche Anschläge gehen auf das Konto von al-Qaida

Die Mitglieder des jemenitischen Al-Qaida-Zweigs "al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel", eine Fusion der jemenitischen sowie der saudi-arabischen Filiale, erwiesen sich in der Vergangenheit als wahre Musterschüler Osama bin Ladens. Im Jemen gibt es genügend Räume, die sich der Kontrolle der Regierung entziehen.

Saudi-Arabiens al-Qaidas Leute zogen sich hierher zurück, nachdem die Saudis in ihrem Land härter gegen das Terrornetzwerk vorgingen. Auch bei der Rekrutierung leisten die jemenitischen Terroristen ganze Arbeit. Aus der ganzen Region zieht die Qaida-Filiale Dschihadisten an. Auf ihr Konto gehen bereits die Anschläge auf westliche Touristen und auf die US-Botschaft in Sanaa.

Dabei profitieren die Terroristen von einem Staat, der sich kaum mehr wehren kann. Der Jemen befindet sich in einer wirtschaftlich prekären Lage. Das Öl, einzige wirkliche Ressource, wird voraussichtlich in 15 Jahren aufgebraucht sein. Das Land ist durch schiitische Rebellen im Norden und einer Separatistenbewegung im Süden politisch zerrissen, die Regierung durch diese gewalttätigen Konflikte überfordert. Auf dem Failed-State-Index der politischen Zeitschrift Foreign Policy belegt der Jemen bereits Platz 18 - vor Uganda, Sri Lanka und Sierra Leone.

Die jemenitische Regierung kann zwar in der Hauptstadt Sanaa für Sicherheit sorgen. Aber die ländlichen Regionen, in die der Arm der Regierung nicht reicht, ähneln jenen in Afghanistan. Lokale Stämme arrangieren sich mit den Extremisten, die sich dort frei bewegen können. Wie frei, das zeigen Veranstaltungen von Separatisten wie jene im Süden des Landes, auf der Al-Qaida-Führer offen und unmaskiert ihre Hasspredigten hielten.

Al-Qaida droht Rache an

Vor allem diese Zurschaustellung der eigenen Macht muss die jemenitische Regierung als Provokation verstehen. Am 17. und am 24. Dezember führte sie Luftwaffenschläge gegen Terroristen aus, bei denen mehr als 60 getötet worden seien. Die Amerikaner gaben diskret zu Protokoll, lediglich mit "Aufklärung und Feuerkraft" die jemenitische Regierung unterstützt zu haben. Der US-Sender ABC sprach aber von amerikanischen Cruise Missiles, die parallel zu den Angriffen der jemenitischen Luftwaffe abgefeuert wurden und in mutmaßlichen Al-Qaida-Camps einschlugen.

Unterstützung erfährt der Jemen im Kampf gegen al-Qaida aber nicht nur von den USA. Auch die Nachbarn sehen die Entwicklungen im Jemen offensichtlich mit Sorge. Die Vereinigten Arabischen Emirate und Kuwait stellten finanzielle Mittel bereit, um der Regierung im Kampf beizustehen. Früher oder später, so ihre Befürchtung, breitet sich der Terror auch auf ihre Gebiete aus.

Wie zur Bestätigung veröffentlichte "al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel" ein Kommuniqué. Darin beschuldigt die Organisation die Amerikaner, mit den Luftschlägen ein Massaker angerichtet zu haben. "Wir werden nicht zulassen, dass das Blut muslimischer Frauen und Kinder vergossen wird, ohne Rache zu üben", hieß es in der Botschaft, die am Sonntag auf islamistischen Internetseiten veröffentlicht wurde. Die Terroristen versprechen, die "Kreuzfahrer" weiter zu bekämpfen - mit Angriffen auf "Militärbasen, Geheimdienststellen und Schiffe".

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