Süddeutsche Zeitung

Al Gore bekommt Friedensnobelpreis:"Die Erde hat Fieber. Und dieses Fieber steigt"

Friedensnobelpreisträger Al Gore hat in seiner Dankesrede die USA und China aufgefordert, im Kampf gegen zu hohe Treibhausgasemissionen mobil zu machen - und zwar mit der Entschlossenheit, wie man das bisher nur vor Kriegen erlebt habe.

Ernste Miene angesichts einer drohenden Klimakatastrophe und nebenbei ein bisschen Flirten mit der Präsidentschaftskandidatur: Der frühere US-Vizepräsident Al Gore hat das Rampenlicht bei der Verleihung des Friedensnobelpreises in Oslo am Montag genutzt wie lange kein Preisträger mehr.

Schon fast im Stil eines globalen Staatsoberhauptes rief der 59-Jährige zu einer weltweiten Mobilisierung auf und scheute auch nicht den direkten Vergleich mit ganz anderen Mobilisierungen: "Genau wie eine frühere Generation bei ihrem Sieg über den Faschismus die moralische Autorität zur Lösung dieser Krise fand, können wir unsere Chance zum Sieg über die Klimakrise nutzen."

Aber es müsse eben schnell und zupackend gehen, wie man das bisher nur erlebt habe "wenn Nationen für einen Krieg mobilisiert haben", erklärte Gore in der Aula des Osloer Rathauses, flankiert von den Wissenschaftlern des UN-Klimarates. Sie bekamen ihren Anteil am Friedensnobelpreis für ihre im Vergleich zu Gore vielleicht weniger glitzernde, dafür aber sehr beharrliche Arbeit seit 1988 zur Aufklärung der Weltöffentlichkeit über den bedrohlichen Umfang der globalen Erwärmung.

"Die Erde hat Fieber. Und dieses Fieber steigt. Die Experten haben uns gesagt, dass dies nicht ein vorübergehendes Unwohlsein ist, das von alleine vergeht", sagte Gore weiter.

Der indische Chef des Wissenschaftler-Gremiums, Rajendra Pachauri, griff ähnlich wie Gore immer wieder zu Vokabeln, die sonst eher in militärischen Zusammenhängen verwandt werden: "Die Klimaänderungen können sich ungeheuer destabilisierend auswirken." Frieden sei "Sicherheit und der sichere Zugang zu lebenswichtigen Ressourcen."

Wenn aber immer mehr Menschen, so Pachauri, als Folge des Klimawandels der Zugang zu reinem Wasser, ausreichend Nahrung, stabiler Gesundheitsversorgung, einer sicheren Heimstatt und funktionierenden Ökosystemen fehle, werde es zwangsläufig immer mehr unkontrollierbare Konflikte statt Stabilität geben.

Der Ton dieser Warnungen mischte sich in der vorweihnachtlich-gemütlichen Hauptstadt des Öl-Förderlandes Norwegen mit viel Optimismus. "Der Friedensnobelpreis hat die Aufmerksamkeit für das Klimaproblem noch einmal enorm verstärkt", meinte Gore, der direkt von Oslo aus zur Klimakonferenz nach Bali fliegen wollte. Dort könne man auf ein "starkes Mandat" hoffen.

Der frühere US-Vizepräsident hatte seine Dankesrede vor Norwegens König Harald V. mit einer launigen Bemerkung über seine noch relativ junge Karriere als Klima-Mahner nach der dramatischen Niederlage bei der Präsidentschaftswahl gegen George W. Bush eingeleitet: "Vor sieben Jahren hab ich meinen eigenen politischen Nachruf gelesen." Das aus seiner Sicht harte, unverdiente, zu frühe und absolut nicht willkommen "Urteil" habe ihm gleichwohl ein "wertvolles und zugleich schmerzhaftes Geschenk beschert": "Die Chance nach neuen Wegen zu suchen, um meinen Idealen zu dienen."

Gore schließt Politik-Comeback nicht völlig aus

Natürlich wurde Gore auch in Oslo gefragt, ob das eine etwaige zweite Präsidentschaftskandidatur für die Demokraten einschließe. Er habe keine solchen Pläne, es sei sehr unwahrscheinlich, sagte Gore wie immer wieder in den letzten Monaten bei seinen rastlosen Reisen als Klima-Mahner rund um den Globus. Aber er wolle andererseits auch nichts ausschließen.

Mit feinem Blick für Außenwirkung nahm vom Osloer Flughafen Gardermoen aus statt der angebotenen Limousinen den Zug in die Stadt, obwohl er sonst fast täglich in ganz und gar nicht klimafreundlichen Flugzeugen um die Welt jettet. Zur Zeremonie im Rathaus bot das Nobelkomitee dann einen mit Ethanol betriebenen Bus an.

Gore hatte mit seinem Oscar-prämierten Dokumentarfilm "Eine unbequeme Wahrheit" über den Klimawandel für Aufsehen gesorgt. Der einstige Politiker der US-Demokraten, der im Jahr 2000 beim Rennen um die US-Präsidentschaft gegen George W. Bush knapp gescheitert war, genießt dank seines Umweltaktivismus eine große Popularität. Er lehnte es aber ab, erneut im Rennen um das Weiße Haus anzutreten.

Der Friedensnobelpreis ist mit umgerechnet 1,1 Millionen Euro dotiert. Im letzte Jahr wurde der Bankier Mohammed Yunus (67) aus Bangladesch für seine Mikrokredite zur Armutsbekämpfung ausgezeichnet. Letzter deutscher Preisträger war 1971 der damalige Bundeskanzler Willy Brandt (1913-1992) für seine Entspannungspolitik gegenüber osteuropäischen Ländern.

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dpa/AFP/bosw/bavo
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