AKW-Laufzeitverlängerung:Energisch ans Werk

Die Regierung wertet gerade das von ihr bestellte Gutachten zu Energieszenarien aus. Die spannende Frage ist: Lohnt sich eine Verlängerung der AKW-Laufzeiten finanziell - auch trotz Röttgens neuestem Vorschlag?

Es soll alles in Windeseile vonstattengehen: Angela Merkel kündigte an, dass die Energieszenarien, die Experten der Regierung am Freitagabend vorgelegt hatten, "sehr schnll ausgewertet" werden sollen.

Zu welchem Ergebnis die Wissenschaftler gekommen sind, wird mit Spannung erwartet - noch interessanter aber ist, welche Schlüsse die Regierung daraus ziehen wird.

Darüber, ob eine Laufzeitverlängerung aus Sicht der Experten Vorteile mit sich bringen würde oder nicht, wird bislang aber nur gemutmaßt - die Berechnungen ließen sich unterschiedlich interpretieren, heißt es.

Und so meldet der Focus, das Gutachten empfehle längere Laufzeiten während die dpa aus Koalitionskreisen erfahren haben will, die Vorteile eines solchen Schritts hielten sich in Grenzen. Dennoch kämen die Gutachter zu dem Schluss, dass 12 oder 20 Jahre längere Laufzeiten die größten positiven Effekte für den Klimaschutz und die Strompreisentwicklung hätten.

Das Düsseldorfer Handelsblatt widerum behauptet, dass die Entscheidung über längere AKW-Laufzeiten laut den Energie-Experten keinen nennenswerten Einfluss auf Strompreise oder Versorgungssicherheit hätte. Ohne Verlängerung der Laufzeiten würden zwar Stromimporte notwendig. Dies sei jedoch kein zwingender Grund für eine Verlängerung. In dem Gutachten werden die Effekte von vier, zwölf, 20 und 28 Jahren längeren Laufzeiten durchgerechnet.

Egal, zu welchem Ergebnis die Gutachter nun tatsächlich kommen: Umweltschützer zweifeln grundsätzlich an der methodischen Herangehensweise. So waren nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa bei einer Berechnung ohne längere Laufzeiten für Atomkraftwerke geringere Klimaschutz- und Energieeffizienzmaßnahmen angenommen worden, als bei den Szenarien mit 12 und 20 Jahre längeren Laufzeiten. Positive ökonomische Effekte bei den Szenarien mit Laufzeitverlängerungen seien durch die Prämissen bei der Auftragsvergabe vorbestimmt, sagte Greenpeace-Energieexperte Andree Böhling mit Blick auf die Vorgaben für die Szenarienberechnung.

Äpfel würden hier mit Birnen verglichen, so Böhling. "Die Regierung ist bereit, zu Mitteln der Trickserei und Täuschung zu greifen, nur um die Atomkraft in Deutschland wieder hoffähig zu machen." Wenn die Gutachten mit ungleichen Annahmen rechnen müssten, sei es kein Wunder, wenn im Ergebnis positive Effekte bei Laufzeitverlängerungen herauskämen. Auch der Obmann der Unions-Fraktion im Umweltausschuss, Josef Göppel (CSU), sagte: "Die Rahmenbedingungen der Berechnungen sind kritisch zu hinterfragen."

Die Betreiber der Atomkraftwerke dürfte derweil eine Meldung des Spiegel beunruhigen, nach der Umweltminister Norbert Röttgen vorschreiben will, dass alle deutschen Kernkraftwerke mit Baumaßnahmen gegen Flugzeugabstürze geschützt werden. Die strengen Sicherheitsauflagen könnten den Betrieb mehrerer Atomkraftwerke unrentabel machen und zu einer Laufzeit- Verlängerung nur bei einigen der 17 noch laufenden Anlagen führen, schreibt das Nachrichtenmagazin.

Alle AKWs sollten gegen den Absturz eines Passagierflugzeugs vom Typ A320 geschützt sein, das Terroristen in einen Meiler lenken könnten, heißt es in dem Bericht weiter. Von Atomkraftgegnern wird kritisiert, dass zum Beispiel das in der Einflugschneise des Münchener Flughafens gelegene AKW Isar 1 nicht ausreichend gesichert sei. Das hessische AKW Biblis, das in der Nähe des Frankfurter Flughafens liegt, sei bereits beim Absturz kleinerer Maschinen gefährdet.

Die Energiekonzerne hatten zur Verbesserung des Schutzes vor Abstürzen oder Attacken Vernebelungsanlagen ins Spiel gebracht. Eine ganze Reihe von Atomkraftwerken bräuchte bei einer Durchsetzung strenger Nachrüstungspläne aber nun wohl eine neue Schutzhülle aus Beton. Das könnte bei den älteren Anlagen den Weiterbetrieb unrentabel machen. Die Konzerne RWE, Eon, Vattenfall und EnBW warnen vor einer finanziellen Überlastung. Neben der Brennelementesteuer und möglicherweise hohen Kosten für eine Nachrüstung sollen sie einen weiteren Beitrag bei längeren Laufzeiten zahlen.

Brüderle: "Klar zweistellige Verlängerung"

Wirtschaftsminister Rainer Brüderle sagte der Wirtschaftswoche, er befürworte eine Verlängerung der AKW-Laufzeit um mindestens zwölf Jahre. "Wir sollten eine klar zweistellige Verlängerung der Laufzeiten bekommen. Die brauchen wir, um die ehrgeizigen Ziele unseres Energiekonzepts zu erreichen", sagte der FDP-Minister dem Blatt.

Atomkraftwerk Krümmel

Im Bild: der Steuerstab-Antriebsraum des Atomkraftwerks Krümmel. 

(Foto: dpa)

Mit seiner Meinung kommt er den Energiekonzernen entgegen: Die Atombranche fordert mindestens 15 Jahre längere Laufzeiten bis etwa zum Jahr 2040 - auch, damit sich mögliche Nachrüstungen lohnen. Präzisiert hat Röttgen laut Spiegel bei der Arbeit am Energiekonzept zudem, wie stark die CO2-Emissionen nach 2020 fallen sollen: Um 55 Prozent gegenüber 1990 bis zum Jahr 2030 und um 70 Prozent bis 2040.

Wirtschaftsminister Brüderle und Umweltminister Röttgen sollen sich zumindest in einigen Punkten des Ernergiekonzepts schon einig sein: So würden beide für den Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland drei Milliarden Euro jährlich veranschlagen, berichtet die Stuttgarter Zeitung. Wie diese Summe finanziert werden soll, sei aber noch offen.

Nach einem Bericht des Spiegel solle es staatliche Bürgschaften geben, um Investitionen in Offshore-Windparks abzusichern sowie eine weitere Beschleunigung der Planungs- und Genehmigungsprozesse für Stromleitungen und Wasserkraftwerke.

Außerdem wollen Röttgen und Brüderle für den Klimaschutz angeblich Hausbesitzer stärker fördern, wenn sie ihre Ölheizungen durch umweltfreundliche Heizungen ersetzen, schreibt das Nachrichtenmagazin. Über das Thema Hausbesitzer streitet sich Röttgen im Moment offenbar mit Bauminister Peter Ramsauer von der CSU: Der Umweltminister kritisiert einem Bericht zufolge die von Ramsauer geplanten Kürzungen beim Gebäudesanierungsprogramm für Hausbesitzer.

Denn Ramsauer will das Programm von 1,35 Milliarden Euro auf nur noch 436 Millionen Euro im kommenden Jahr zurückfahren. "Diese Kürzungen werden die Sanierungsrate massiv senken und drastische Auswirkungen auf Wirtschaft und Arbeitsmarkt haben", heißt es in einem vertraulichen Arbeitspapier Röttgens zum Energiekonzept der Bundesregierung, aus dem die Rheinische Post zitiert. Wenn Deutschland seine ambitionierten Klimaschutzziele verwirklichen wolle, müssten dauerhaft wieder zwei Milliarden Euro pro Jahr für das Gebäudesanierungsprogramm zur Verfügung stehen, fordert Röttgen demnach. Durch eine Gebäudesanierung kann der Energieverbrauch um bis zu 50 Prozent gesenkt werden.

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