Süddeutsche Zeitung

AKW Krümmel: Nach Störfall:Carstensen droht Vattenfall mit Abschaltung

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Neue Fehler eingeräumt: Ein Messgerät im AKW Krümmel war nicht installiert. Ministerpräsident Carstensen ist "stinksauer" und gibt Vattenfall nur noch eine Chance.

M. Bauchmüller

Drei Tage nach dem neuen Ausfall des Kernkraftwerks Krümmel bei Hamburg muss der Betreiber Vattenfall weitere Fehler einräumen. Demnach war ein Messgerät, das Probleme im Transformator hätte frühzeitig anzeigen sollen, nicht installiert worden. Dies sei "versäumt worden", sagte eine Vattenfall-Sprecherin. Der Einbau einer solchen Anlage war ursprünglich eine Vorgabe der schleswig-holsteinischen Atomaufsicht gewesen.

Sie sollte verhindern, dass sich ein Vorfall wie im Juni 2007 wiederholt. Damals hatte ein Kurzschluss in einem Transformator ein Feuer ausgelöst; der Reaktor wurde umgehend abgeschaltet. Vattenfall hatte Krümmel anschließend zwei Jahre lang für Wartungsarbeiten vom Netz genommen. Erst Mitte Juni ging er wieder in Betrieb. Doch nur zwei Wochen nach dem Anfahren wiederholte sich der Vorfall; ein Kurzschluss legte den Reaktor lahm.

Der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) sagte, er sei "stinksauer". Er gebe Vattenfall nur noch eine Chance zur Reparatur des Werks. Sonst werde er dafür sorgen, dass Krümmel für immer abgeschaltet werde. Auch Schleswig-Holsteins Sozialministerin Gitta Trauernicht (SPD) äußerte sich empört.

"Das ist ein erschreckendes und ernüchterndes Ergebnis", sagte sie der Süddeutschen Zeitung. Es werfe abermals die Frage nach der Zuverlässigkeit des Betreibers Vattenfall auf. Das Land will nun diese Zuverlässigkeit von einem Gutachter erneut prüfen lassen. Erst kürzlich hatte Vattenfall eine solche Prüfung bestehen müssen. Schlimmstenfalls droht Vattenfall der Verlust der Betriebsgenehmigung.

Der zuständige Werksleiter bat nach Angaben von Vattenfall am Dienstag darum, von seinen Aufgaben entbunden zu werden. Der Zwischenfall hatte auch deshalb für Aufsehen gesorgt, weil die Atomaufsicht nicht von der Leitwarte des Kraftwerks, sondern auf Umwegen über die Polizei von dem Not-Aus beim Reaktor erfahren hatte.

Dabei sollte auch eine bessere Kommunikation eine der Lehren aus dem Vorfall vom Sommer 2007 sein. In Hamburg brachen nach dem plötzlichen Abschalten Teile der Stromversorgung zusammen.

Als erste Konsequenzen aus dem Vorfall will Vattenfall nun für 20 Millionen Euro die veralteten Transformatoren austauschen. Durch den Umbau wird das 27 Jahre alte Atomkraftwerk abermals für Monate stillstehen.

Erst nach einer neuen Genehmigung soll es wieder Strom liefern. "Wir müssen jederzeit höchste Standards in Sicherheit und Technik sicherstellen", sagte Tuomo Hatakka, Deutschland-Chef von Vattenfall. Mit dem Austausch der Transformatoren gehe man nun "konsequent den Weg der höchsten Sicherheit". Für Donnerstag kündigte Hatakka einen Zwischenbericht an. Bislang ist unklar, warum es zu dem Kurzschluss kam.

Politiker von Grünen und Linken forderten die Stilllegung des Pannenreaktors. "Vattenfall ist eindeutig nicht in der Lage, ein Atomkraftwerk zu betreiben", sagte der Linken-Politiker Hans-Kurt Hill. Zuvor hatte Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) Krümmel als "Kraftwerk mit Zukunft" bezeichnet, sofern die technischen Voraussetzungen stimmten.

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SZ vom 08.07.2009
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