AKW-Katastrophe von Fukushima:Wechselnde Winde bedrohen japanische Städte

Ziehen bald radioaktive Wolken über das japanische Festland? Die Winde drehen, die strahlenden Partikel wehen womöglich in Kürze nicht mehr aufs offene Meer hinaus - jetzt sind etliche Großstädte bedroht.

Wechselhafte Winde könnten radioaktive Wolken aus den Reaktoren von Fukushima-1 über die japanische Hauptinsel Honshu treiben. Von der Strahlung wären etliche Großstädte bedroht. Am Wochenende tauchten erste radioaktiv kontaminierte Lebensmittel aus der Region um Fukushima auf. Zugleich stieg die Hoffnung, die havarierten Reaktoren unter Kontrolle zu bekommen, nachdem es gelungen war, eine Stromleitung zum Kraftwerk zu legen.

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Aufnahme des beschädigten Kraftwerks Fukushima-Daiichi (-1): Schwere Belastung für die Umwelt

(Foto: AFP)

Strahlenmessungen deuten darauf hin, dass die bislang über Japan niedergeregneten radioaktiven Stoffe sehr unterschiedlich verteilt sind. So wurde eine Zone enorm erhöhter Strahlenaktivität etwa 30 Kilometer nordöstlich der Kraftwerksanlage beobachtet. Dort wurden in den vergangenen Tagen punktuell 170 Mikrosievert pro Stunde gemessen, am Sonntag war dieser Wert auf 110 Mikrosievert zurückgegangen, aber die Belastung entspricht weiterhin mehr als dem 2000fachen der natürlichen Strahlung. Nahe dem Kernkraftwerk in Fukushima und in der Nachbarpräfektur Ibaraki wurden Strahlenwerte in Milch und Spinat gemessen, die über den Grenzwerten lagen. Die Regierung untersagte den Verkauf von Milch aus Fukushima. In der Hauptstadt Tokio, 240 Kilometer von dem Reaktor entfernt, wurden sehr geringe Mengen von radioaktivem Jod im Trinkwasser nachgewiesen.

Den 300 Ingenieuren auf dem Kraftwerksgelände gelang es am Sonntag, Reaktorblöcke 1 und 2 wieder ans Stromnetz anzuschließen. Die Blöcke 5 und 6 werden mit Diesel-Notstromagregaten gekühlt, damit sind vier der sechs Blöcke mit Strom versorgt. Zunächst blieb unklar, ob alle Maschinen und Pumpen in dem durch Erdbeben, Tsunami und Explosionen beschädigten Kraftwerk noch funktionieren. Die Betreiber hofften jedoch, am Montag oder Dienstag die Wende erzielen zu können. Die Temperatur in allen Abklingbecken erreichte laut japanischer Nachrichtenagentur Kyodo am Sonntag Werte von unter 100 Grad Celsius, womit eine Kernschmelze ausgeschlossen wäre. Block 3, der wegen der plutoniumhaltigen Mischoxid-Brennelemente besonders gefährlich ist, wurde am Sonntagabend erneut mit Wasser besprüht. Der Druck im Reaktorbehälter war am Morgen bedenklich gestiegen, obwohl er 13 Stunden lang unter dem Beschuss von Wasserwerfern stand.

Die Zahl der Toten und Vermissten ist auf mehr als 20.000 gestiegen. Offiziell lag sie am Sonntag bei 8133 Toten und 12.272 Vermissten. Die Polizei in Miyagi, eine der vier besonders betroffenen Präfekturen, ging aber davon aus, dass es allein dort 15.000 Tote gegeben haben dürfte. Eine Viertelmillion Menschen ist ohne Strom, eine Million ohne Trinkwasser. Auch Lebensmittelknappheit und Kälte machen den Opfern zu schaffen. In der zerstörten Stadt Ishinomaki wurden Medienberichten zufolge neun Tage nach der Katastrophe eine 80-jährige Frau und ein 16-jähriger Jugendlicher aus den Trümmern gerettet.

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