Aktuelles Lexikon:Zwangshaft

Müssen Politiker ins Gefängnis, wenn sie die Luft nicht sauber halten?

Von Wolfgang Janisch

Landläufig bringt man die Durchsetzung gerichtlicher Urteile mit dem Gerichtsvollzieher in Verbindung. Das ist eine Amtsperson, die - wenn man eine Rechnung partout nicht bezahlen will - schon mal an der Tür klingeln und ein wertvolles Gemälde oder die teure Rolex beschlagnahmen kann. Allerdings kommt der Gerichtsvollzieher an seine Grenzen, wenn es um Ansprüche geht, die nur der Schuldner selbst erfüllen kann; Juristen sprechen hier von "unvertretbaren Handlungen". Das kann die Pflicht zur Erstellung eines Arbeitszeugnisses, einer Jahresrechnung oder einer Auskunft sein, manchmal auch der Anspruch auf Beseitigung von Mängeln in der Wohnungsanlage. Nach Paragraf 888 der Zivilprozessordnung kann die Justiz den widerborstigen Schuldner mit einem Zwangsgeld von bis zu 25 000 Euro auf Trab bringen - oder eben mit Zwangshaft von bis zu sechs Monaten. Weil diese Vorschrift durch einen Querverweis eigentlich auch für den Verwaltungsprozess gilt, verhandelt nun der Europäische Gerichtshof darüber, ob man womöglich Regierungsmitglieder durch Zwangshaft zur Einhaltung von Stickoxid-Grenzwerten anhalten kann. Bisher haben Gerichte dafür freilich keinen Anlass gesehen. Weil man im Rechtsstaat davon ausging, dass gewählte Politiker sich an geltende Gesetze halten.

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