Aktuelles Lexikon:Wiederaufbau

Notre-Dame wird rekonstruiert - wie früher aber wird es nicht aussehen.

Von Kia Vahland

Als am 15. April 2019 die Kathedrale Notre-Dame in Paris Feuer fing, war das Entsetzen groß und der Wunsch nach Wiederaufbau auch. Präsident Emmanuel Macron versprach flugs, in fünf Jahren werde die Kirche wieder intakt sein. Zu diesem Zeitpunkt waren sich die Franzosen noch nicht einmal einig, wie die Kathedrale restauriert werden sollte: im Stil des Baumeisters aus dem 19. Jahrhundert, Eugène Viollet-le-Duc, im Stil des 21. Jahrhunderts oder doch lieber ganz im Sinne der Bauherren der Gotik. Inzwischen geht die Tendenz zu einer Rekonstruktion mit Viollet-le-Ducs Dachreiter, der bei dem Brand eingestürzt war. Begonnen wird nun mit dem Wiederaufbau erst in 2021; die Bestandssicherung zieht sich hin, und dann kam noch Corona dazwischen. Grundsätzlich sollte bei einer Restaurierung alles, was erneuert wird, visuell kenntlich gemacht werden. Sie soll keine Originalität vortäuschen, die Vergangenheit nicht mutwillig neu erfinden. Vielmehr geht es um Funktionalität und darum, eine Ahnung zu vermitteln, wie das Verlorene einmal ausgesehen hat. Deshalb sind komplette Wiederaufbauten wie etwa beim Berliner Schloss so umstritten. Wenn alles neu ist, verwischt der Unterschied zwischen damals und heute leicht, und aus dem Phantomschmerz kann eine irreführende Fiktion von Geschichte entstehen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema