Aktuelles Lexikon:Toilettenpapier

Die Europäer nutzen das Hilfsmittel noch nicht allzu lange.

Von Matthias Drobinski

Das einfachste Hilfsmittel bei der Hygiene nach dem Geschäft war (und ist) dem Menschen die Hand, meist die linke; Verbrechern die rechte Hand abzuschlagen, hieß auch, sie unrein zu machen. Doch schon in der Bronzezeit wurden die großen Blätter der Pestwurz auf den Aborten genutzt; in Bayern heißen sie bis heute Arschwurzen. Später kamen Lumpen und Schwämme zum Einsatz, vereinzelt gar lebendes Federvieh. Die ersten Berichte über den Gebrauch von Toilettenpapier stammen aus China; 1393 verbrauchte die kaiserliche Familie 15 000 parfümierte Blätter. Ab 1857 stellte der US-Amerikaner Joseph Gayetty Toilettenpapier industriell her; Zeitgenossen hielten jedoch seine mit Aloe-Extrakt getränkten Blätter für Quacksalberei. Ende des 19. Jahrhunderts setzte sich dann das gerollte und perforierte Klopapier durch - so sehr, dass heute der Mangel daran als Krisensignal gilt. Im Ostblock wurde er mit dem Gebrauch von Parteizeitungen kompensiert, was als oppositioneller Akt gelten konnte. In Japan gab es 1973 die "Toilettenpapier-Panik": In der Ölkrise kam das Gerücht auf, Klopapier werde knapp. Auch jetzt, wo sich das Corona-Virus ausbreitet, sind die Rollen begehrt, als sei Covid-19 eine Magen-Darm-Erkrankung. Die Angst ist offenbar groß, zu Zeitung, Lumpen, gar der Hand zurückkehren zu müssen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: