Aktuelles Lexikon:Stiefkind

Statt von stiefmütterlicher Behandlung, die schon im antiken Griechenland Tragödienstoff war, spricht man heute lieber von Bonuskindern.

Von Ann-Kathrin Eckardt

Etwa 2500 Jahre ist es her, da schrieb der griechische Dichter Euripides das Stück "Alkestis", in dem sich eine Frau aus Liebe zu ihrem Mann für dessen Unsterblichkeit opfert. Ziemlich antiquiert erscheint das aus heutiger Sicht. Universale Gültigkeit scheint dagegen eine Zeile der Tragödie zu beanspruchen: "Verfolgt die zweite Mutter doch Stiefkinder stets mit giftigen Blicken, einer wilden Schlange gleich." Dass Stiefkinder schlechter als die eigenen Kinder behandelt werden, ist Gegenstand unzähliger Sagen und Märchen. Bis heute lebt diese Vorstellung in Redewendungen wie der "stiefkindlichen/stiefmütterlichen" Behandlung fort. Die Vorsilbe stief- bedeutete ursprünglich "beraubt", "verwaist" (vom althochdeutschen stiof-). In diesem Sinne sagenhaft ist die böse Stiefmutter, die ihre Stiefkinder quält, erniedrigt (Aschenputtel), von zu Hause vertreibt oder gar töten will (Schneewittchen). Kein Wunder, dass sich Stiefmütter und Stiefkinder heute lieber als "Bonusmütter" oder "Bonuskinder" bezeichnen. In Zukunft soll auch das Adoptionsrecht zeitgemäßer werden. Bislang durften nur Ehepartner Stiefkinder adoptieren. Nun hat das Verfassungsgericht entschieden: Das Gesetz ist mit dem Gleichbehandlungsgebot nicht vereinbar, auch unverheiratete Partner sollen künftig Stiefkinder adoptieren können.

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