Im Kampf zwischen dem bisherigen österreichischen Kanzler Sebastian Kurz und seinen Gegnern haben beide Seiten schweres Geschütz aufgefahren: die Staatsräson. Kurz argumentierte, auf den Punkt gebracht, die Staatsräson gebiete es, ihn bis zur Parlamentswahl im September im Amt zu belassen. Seine Widersacher, wie SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner, konterten, Kurz gehe es nicht um die Staatsräson, sondern um seine persönliche Macht. Dabei ist das Konzept der Staatsräson längst fragwürdig geworden. Es taucht in der Moderne zuerst bei Niccolò Machiavelli auf. Der Florentiner Staatstheoretiker argumentierte in seinem Werk "Il Principe" - "Der Fürst" -, ein Staatsmann müsse um jeden Preis versuchen, die Souveränität und Macht des Staates zu wahren und zu festigen, ohne Rücksicht auf private Moral und Rechte Einzelner. So werde dem Gemeinwohl am besten gedient. Der Brite Thomas Hobbes konzipierte den Staat als übermächtigen "Leviathan", der durch sein Gewaltmonopol inneren Frieden schafft. Absolutistische und später totalitäre Regime pochten gern auf die Staatsräson. Diese gehe im Zweifel allem anderen vor. Der moderne Rechtsstaat setzt der Macht dagegen klare Grenzen und schützt so die Freiheit der Bürger. Der Machterhalt des Staates rechtfertigt heute nicht mehr alles.
Aktuelles Lexikon:Staatsräson
Sie soll den Staat vor überhandnehmenden Partikularinteressen schützen. In der Geschichte war das nicht immer demokratisch gemeint.
Von Stefan Ulrich
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