Süddeutsche Zeitung

Aktuelles Lexikon:Sekundenkleber

Im Krieg entwickelt, klebt er heute auch dort, wo er nicht soll.

Von Matthias Drobinski

Der Vater des Sekundenklebers ist der Krieg. 1942 suchte der Chemiker Harry Coover nach einem unzerbrechlichen und transparenten Kunststoff für die Zieloptik von Panzern und entwickelte das Polymer Cyanacrylat. Durchsichtig war das Zeug ja - nur klebte es derart schnell und fest zusammen, dass es weder für Fernrohre geeignet war noch für die Cockpithauben, an denen Coover sich nach dem Krieg versuchte. Allerdings kam er dabei auf eine Geschäftsidee: 1958 brachte die US-amerikanische Firma Kodak den Klebstoff "Eastman #910" auf den Markt, der als "Super Glue" ein Erfolg wurde. Das Zeug klebte so ziemlich alles: Plastik, Metall, Glas, Holz, Leder - und auch Haut. Bald nutzten neben Handwerkern und Bastlern auch Ärzte Sekundenkleber, um Schnittwunden zu schließen; im Vietnamkrieg verwendete die US-Armee Cyanacrylat-Spray als Wundverband. Sekundenkleber haben aber Nachteile: Sie reizen die Haut, können sich im Extremfall beim Trocknen entzünden - vor allem aber kleben sie auch dort, wo sie nicht kleben sollen. Seit 2017 beschmiert ein Unbekannter in Wolfsburg immer wieder Autos mit einem aggressiven Sekundenkleber, zuletzt Anfang Januar. Der Kleber greift den Lack und sogar das Metall darunter an. Der Schaden beträgt mittlerweile 1,5 Millionen Euro.

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Quelle:
SZ vom 15.01.2019
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