Süddeutsche Zeitung

Aktuelles Lexikon:Scharia-Polizei

Die Scharia ist kein Buch. Der Begriff lässt sich missbrauchen.

Von Dunja Ramadan

Eine orangefarbene Warnweste, bedruckt mit zwei Worten, die 2014 in Wuppertal und bundesweit für Aufruhr sorgten: Shariah Police. Eine Gruppe Salafisten war damit durch die Stadt gezogen, zeitgleich kursierten Flyer, auf denen Verhaltensregeln wie "kein Alkohol" oder "keine Drogen" standen. Den jungen Männern ging es damals um die Durchsetzung islamischer Regeln. Nun stehen sie erneut vor Gericht, sie sollen gegen das Uniformverbot verstoßen haben. Anders als häufig angenommen ist die Scharia kein durchgängig geschriebenes Buch, das man bei Belieben aus dem Bücherregal holen kann. Vielmehr umfasst die Scharia die aus dem Koran und den Überlieferungen des Propheten Mohammed (Sunna) abgeleiteten religiösen Pflichten und Verbote des Islam, wie etwa das Erbrecht, die Speisevorschriften oder das Strafrecht. Im Arabischen ist der Begriff "Scharia" auch mehrdeutig: Er bedeutet "Wasserstelle" und "Weg zur Tränke" oder, wie im Koran etwas deutlicher, "der von Gott gebahnte Weg". Da die Scharia kein großes Nachschlagewerk ist, erschließt sich das islamische Recht vor allem über die Rechtsfindungslehre (usul al-fiqh), die oft zu unterschiedlichen und teilweise widersprüchlichen Ergebnissen kommen kann. Sie geht damit weit über griffige Einzelregelungen hinaus.

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Quelle:
SZ vom 21.05.2019
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