Süddeutsche Zeitung

Aktuelles Lexikon:Minderheitsregierung

In manchen Ländern ist sie Alltag, in Deutschland aber nicht beliebt.

Von Veronika Wulf

Nachdem die Jamaika-Sondierungen geplatzt sind, ist sie wieder im Gespräch: die Minderheitsregierung. In anderen Ländern gehört sie fast zum politischen Alltag; in Schweden, Norwegen und Dänemark beispielsweise ist sie seit Jahrzehnten das häufigste Regierungsmodell. Die Parteienvielfalt in diesen Ländern ist groß und das Modell funktioniert gut. In Deutschland dagegen ist die Minderheitsregierung nicht sonderlich populär, die Mehrheit der Wähler verlangt nach stabilen politischen Verhältnissen. Die sind aber nicht gegeben bei ständig wechselnden Verbündeten, die eine nur mit einer Minderheit der Stimmen regierende Partei benötigt. Die Abneigung vieler Deutschen dagegen hat auch historische Gründe: Während der Weimarer Republik gab es mehrere instabile Regierungen, auch deshalb wuchs den Nationalsozialisten nach und nach mehr Macht zu. Die Bundesrepublik war von den beiden großen Volksparteien, den Christdemokraten und den Sozialdemokraten geprägt. Die wenigen Minderheitsregierungen, die es auf Bundesebene gab (1966, 1972 und 1982), hatten nur wenige Wochen oder Monate Bestand und waren aus der Not geboren: wegen Rücktritten von Ministern oder Fraktionswechseln von Abgeordneten. Für eine Minderheitsregierung ist eine Gabe unabdingbar: Kompromissbereitschaft. Daran scheiterten jedoch letztendlich schon die Jamaika-Verhandlungen.

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Quelle:
SZ vom 21.11.2017
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